Prozessführung / Litigation: Zuständigkeitskonzentration für M&A-Streitigkeiten aus NRW am Landgericht Düsseldorf und Oberlandesgericht Düsseldorf

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Nordrhein-Westfalen hat im Rahmen eines „bundesweit einzigartigen Kompetenzprojekt(s)“ unter dem Namen „QualityLaw NRW“ seit dem 01.01.2022 die gerichtliche Zuständigkeit für landesweite Streitigkeiten aus dem Bereich M&A mit einem Streitwert von über EUR 500.000,00 beim Landgericht Düsseldorf konzentriert. Damit verfolgt das Bundesland das Ziel, Unternehmen und Rechtssuchenden staatliche Gerichte zur Verfügung zu stellen, „die auch in Spezialmaterien dem Anspruch an eine qualitativ hochwertige, effiziente und schnelle Rechtsprechung gerecht werden“. Es tritt damit in den Wettbewerb zu Schiedsgerichten, vor denen sog. Post-M&A-Streitigkeiten derzeit häufig ausgetragen werden.

Der folgende Beitrag beleuchtet die Zuständigkeitskonzentration für M&A-Streitigkeiten am Landgericht und Oberlandesgericht Düsseldorf, stellt eine ähnliche Initiative aus Baden-Württemberg zur Spezialisierung von Gerichten vor und zieht einen Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit.

1. Ausschließliche Zuständigkeit des LG Düsseldorf für M&A-Streitigkeiten aus NRW

Gemäß der „Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit für Streitsachen aus den Bereichen der Unternehmenstransaktionen (Mergers & Acquisitions), der Informationstechnologie und Medientechnik sowie der Erneuerbaren Energien“ werden dem Landgericht (LG) Düsseldorf Streitigkeiten aus Transaktionen im Unternehmensbereich (Mergers & Acquisitions), deren Streitwert EUR 500.000,00 übersteigt, für die Bezirke aller Landgerichte des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) zugewiesen. Hierunter fallen Streitigkeiten aus Kauf- oder Tauschverträgen, deren wesentlicher Vertragsgegenstand ein Unternehmen oder Unternehmensanteil ist, Streitigkeiten aus dem Erwerb eines Unternehmens oder Unternehmensanteils im Wege der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung und Streitigkeiten aus Umwandlungsverträgen. Die Entscheidung über die Berufung, die sofortige Beschwerde oder die Beschwerde in den genannten Streitigkeiten obliegt dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf für die Bezirke aller Oberlandesgerichte des Landes NRW. Somit landen automatisch sämtliche vor staatlichen Gerichten auszutragende M&A-Streitigkeiten aus NRW zunächst beim LG Düsseldorf und später ggf. beim OLG Düsseldorf.

Am LG Düsseldorf wurden hierfür je eine Zivilkammer und eine Kammer für Handelssachen eigerichtet. Parallel hierzu wurde am OLG Düsseldorf ein entsprechender Zivilsenat eingerichtet. Erklärtes Ziel der nordrhein-westfälischen Zuständigkeitskonzentration für M&A-Streitigkeiten ist es, dem Anspruch an eine qualitativ hochwertige, effiziente und schnelle Rechtsprechung unter der Leitung von in Wirtschaftsstreitigkeiten erfahrenen Richterinnen und Richtern gerecht zu werden.

Das Land NRW verspricht ein Höchstmaß an Flexibilität in der Gestaltung der Verfahren vor den Spezialkammern und dem Spezialsenat. Hierbei wird der aus Schiedsverfahren bekannte Begriff des „case managements“ verwendet. Außerdem wird es in den Verfahren vor den Spezialkammern und dem Spezialsenat möglich sein, in englischer Sprache zu verhandeln, Zeugen in englischer Sprache zu vernehmen sowie englischsprachige Dokumente vorzulegen. Schließlich sollen Verhandlungen und Beweisaufnahmen zusammenhängend an mehreren Tagen stattfinden können. Weiter sollen technische und räumliche Ausstattung modernste Verhandlungsbedingungen schaffen – Videobesprechungen sollen ebenso möglich sein wie Simultanübersetzungen.

Zusammengefasst vereinen die neuen Spezialkammern und der neue Spezialsenat am LG bzw. OLG Düsseldorf eine tatsächlich innovative gerichtsübergreifende Zuständigkeitskonzentration mit dem Versprechen eines modernen Verständnisses der Verfahrensleitung nach den altbekannten Regeln der Zivilprozessordnung und einer dies ermöglichenden technischen Ausstattung.

2. Vergleich zum Commercial Court in Baden-Württemberg

Ganz neu ist die Idee von Spezialgerichten, einer flexiblen Verfahrensgestaltung und moderner technischer Ausstattung nicht. Zuletzt wurde Ende des Jahres 2020 in Baden-Württemberg der „Commercial Court“ in Stuttgart und Mannheim etabliert. Dabei handelt es sich um spezialisierte Wirtschaftszivilkammern und Kammern für Handelssachen an den Landgerichten Stuttgart und Mannheim.

Auch der Commercial Court aus Baden-Württemberg wirbt mit einer Besetzung durch hochkompetente Richter, einer effizienten und maßgeschneiderten Organisation des Verfahrens mittels „case management conference“ und einer möglichen Verfahrensführung in englischer Sprache sowie der Möglichkeit zur Durchführung von Videokonferenzen und Videovernehmungen dank modernster technischer Ausstattung.

Im Unterschied zu „QualityLaw NRW“ ist der Commercial Court in Baden-Württemberg neben M&A-Streitigkeiten auch für weitere gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, Streitigkeit aus Handelsgeschäften und Bank- und Finanzgeschäften zuständig. Entscheidender Unterschied ist jedoch, dass der Commercial Court in Baden-Württemberg lediglich für Streitigkeiten, die ohnehin beim Landgericht Mannheim und Stuttgart ausgetragen werden (ggf. aufgrund entsprechender Gerichtsstandvereinbarung), zuständig ist.

3. Alternative zu Schiedsgerichten?

Trotz der vorstehenden Besonderheiten handelt es sich bei den „Spezialgerichten“ in Düsseldorf, Mannheim und Stuttgart um staatliche Gerichte – mit allen Konsequenzen. Weil einerseits die staatlichen Spezialgerichte den (verschiedentlich etwas sperrigen) Regelungen der Zivilprozessordnung unterworfen sind und andererseits Schiedsgerichte gewisse Hoheitskompetenzen nicht innehaben, verbleibt es bei einigen Unterschieden.

Vertraulichkeit ist in großen Wirtschaftsstreitigkeiten oftmals ein zentrales Thema. In Verfahren vor Schiedsgerichten kann eine solche Vertraulichkeit umfassend gewährleistet werden. Für Verfahren vor staatlichen Gerichten gilt demgegenüber der Öffentlichkeitsgrundsatz, wonach sowohl Verhandlung als auch die Urteilsverkündung im Normalfall öffentlich sind. Dieser Grundsatz kann zwar beispielsweise zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Einschränkungen erfahren. Das gleiche Maß an Vertraulichkeit wie bei Schiedsgerichten kann jedoch nicht gewährleistet werden.

Im Unterschied zu Schiedsgerichten haben staatliche Gerichte hingegen weitergehende hoheitliche Befugnisse. Relevant wird dies beispielsweise in den Bereichen des einstweiligen Rechtsschutzes und der Beweisaufnahme. Staatliche Gerichte können vollstreckbare Titel schaffen und Ordnungsmittel festsetzen. Schiedsgerichten auf der anderen Seite ist dies ohne Hilfe der staatlichen Gerichte nicht möglich.

Ein weiteres, wesentliches Kriterium für den Rechtssuchenden kann schließlich auch die Vollstreckbarkeit eines Urteils bzw. Schiedsspruchs im Ausland sein. Auch hier gilt es Unterschiede zu beachten. Die internationale Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen ist durch das sog. New Yorker Übereinkommen geregelt, das eine Vollstreckung in beinahe jedem Staat der Welt ermöglicht. Für Gerichtsurteile deutscher staatlicher Gerichte gibt es kein Vollstreckungsübereinkommen in diesem Umfang. Allerdings wird zum Beispiel im EU-Ausland eine Vollstreckung durch EU-Recht ermöglicht.

4. Fazit

Nach wie vor gibt es jeweils gute Argumente dafür, Streitigkeiten vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht auszutragen. Die mit „QualityLaw NRW“ verbundene Zuständigkeitskonzentration für Streitigkeiten aus dem Bereich M&A ist in diesem Zusammenhang zu begrüßen. Aus Sicht des Rechtsanwenders ist wichtig, sich bereits bei Abschluss des Unternehmenskaufvertrags Gedanken über die bestehenden Unterschiede und eigenen Interessen zu machen und den Vertrag entsprechend zu gestalten.

Bastian Frick und Rainer Heckenstaller

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