Die Bewerbung von „Klimaneutralität“ – umstritten, umkämpft – bald unmöglich?

Wenige Werbeangaben haben in jüngerer Vergangenheit eine solche „Beliebtheit“ erfahren wie umweltbezogene Angaben, auch und gerade bezogen auf das Klima bzw. den Klimaschutz. Mit der Beliebtheit der Werbeangaben ging eine erhöhte rechtliche bzw. rechtspolitische Aufmerksamkeit einher – und wenig erhitzte Mitbewerber wie insbesondere klageberechtigte Verbraucher- und Umweltverbände mehr wie die Bewerbung von „Klimaneutralität“. Dieser Beitrag beleuchtet die aktuell geltenden Grundsätze für die Bewerbung von „Klimaneutrali-tät“ und gibt Ausblick über den zukünftig kommenden, nochmals „strengeren“ Rechtsrahmen.
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Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs – „klimaneutral“ (2024)

Der Bundesgerichtshof hat bezüglich der Bewerbung von „Klimaneutralität“ mit einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2024 Leitplanken gesetzt und unterschiedliche Rechtsauffassungen der Oberlandesgerichte zusammengeführt (BGH, Urteil vom 27.06.2024, Az.: I ZR 98/23, NJW 2024, 3073).

–        Danach gelten – wie für die Werbung mit Umweltschutzbegriffen generell – strenge Anforderungen betreffend die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit.

–        Zudem besteht aufgrund des besonders hohen Irreführungspotentials von klimabezogenen Angaben ein erhöhtes und umfassendes Aufklärungsbedürfnis des Verbrauchers.

Gerade die Aufklärung bzw. Erläuterung ist essentiell für die zulässige Werbung mit „Klimaneutralität“. Der Angabe „klimaneutral“ können mehrere Bedeutungen zukommen, nämlich einerseits bereits die Vermeidung von CO2-Emissionen und andererseits zumindest die Kompensation von CO2-Emissionen durch andere Maßnahmen (z.B. durch den Erwerb von Umweltzertifikaten).

Die Bewerbung von „Klimaneutralität“ ist daher regelmäßig erläuterungsbedürftig, insbesondere, weil die Vermeidung von CO2-Emissionen nach dem Verständnis der Verbraucher nach Auffassung des Bundesgerichtshofs „höherwertig“ angesehen wird und damit im Vergleich zur CO2-Kompensation „vorrangig“ ist.

Landgericht Nürnberg-Fürth – „ADIDAS Klimaziele“ (2025)

Die Notwendigkeit der sorgfältigen Erläuterung der „Klimaneutralität“ verdeutlicht eine jüngst ergangene Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth betreffend die „Umweltziele“ des bekannten Sportartikelherstellers ADIDAS (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 25.03.2025, Az.: 3 HK O 6524/24, GRUR-RS 2025, 5237).

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte die Deutsche Umwelthilfe gegen ADIDAS geklagt und sogar relativ umfassende Erläuterungen von ADIDAS über die Klimaziele des Unternehmens als irreführend und unzulässig beanstandet. Konkret hatte ADIDAS in die Zukunft gerichtete Ziele betreffend die Erreichung eines Niveaus von unternehmens- und produktbezogener Nachhaltigkeit bis 2025 und darüber hinaus das Erreichen von „Klimaneutralität“ bis 2050 ausgelobt.

Das Landgericht hat die entsprechenden Aussagen von ADIDAS bereits deswegen als irreführend und unzulässig angesehen, weil ADIDAS nicht erläutert bzw. klargestellt hat, ob die „Klimaneutralität“ auch mittels CO2-Kompensationsmaßnahmen, d.h. insbesondere im Wege des Erwerbs von Grünstromzertifikaten, erreicht werden soll. Das Landgericht hat befunden, dass ADIDAS schon damit den strengen Anforderungen an die Aufklärungspflicht nicht hinreichend Rechnung getragen habe. Unberührt dessen hat das Landgericht betreffend das ohnehin eher „langfristige“ Ziel des Erreichens von „Klimaneutralität“ bis zum Jahr 2050 zumindest implizit moniert, dass ADIDAS im Rahmen der Darstellung nicht ausreichend konkrete Maßnahmen beschrieben und auch keine Teilziele für die Jahre bis 2050 benannt hat.

Im Hinblick auf Darstellung der Erläuterungen hat das Landgericht zudem die Bedeutung der Unmittelbarkeit betont. Konkret hat das Landgericht einen in den Erläuterungen von ADIDAS verlinkten Geschäftsbericht mit weitergehenden Ausführungen als unbeachtlich erachtet. Als Begründung hat das Landgericht angeführt, dass es aufgrund der der strengen Anforderungen an die Eindeutigkeit und Klarheit zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig erforderlich sei, bereits in der Werbung selbst die konkrete Bedeutung der klimabezogenen Angaben zu erläutern. Außerhalb der Werbung erfolgende und erst weitergehend zu ermittelnde aufklärende Hinweise seien dagegen nicht ausreichend.

Ausblick Europäische Richtlinie RL (EU) 2024/825 (Umsetzung 2026)

Umwelt- und insbesondere klimabezogene Angaben bleiben „heiße Eisen“ im Recht der Werbung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden zudem perspektivisch nochmals „strenger“ werden. Grund ist die bislang durch den nationalen Gesetzgeber noch nicht in geltendes Recht umgesetzte Europäische Richtlinie RL (EU) 2024/825 zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG („UGP-Richtlinie“) und 2011/83/EU („Verbraucherrechte-Richtlinie“) „hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen“ vom 28.02.2024.

Danach sollen u.a. sog. „per-se“ Verbote für folgende werbliche Konstellationen gelten:

–        Anbringen von Nachhaltigkeitssiegeln, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder von einer staatlichen Stelle festgesetzt wurden;

–        allgemeine Umweltaussagen, ohne dass die Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, nachgewiesen werden kann;

–        Umweltaussagen zu einem Gesamtprodukt oder zur Tätigkeit eines Unternehmens, wenn sie die Umweltfreundlichkeit nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder eine bestimmte Unternehmensaktivität bezieht;

–        klimabezogene Aussagen, die mit der Kompensation von Treibhausgasemissionen begründet werden und darauf basierend hinsichtlich der Treibhausgasemissionen neutrale, verringerte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt ausgelobt werden.

Gerade der letztgenannte Punkt wird die Möglichkeiten der Bewerbung von „Klimaneutralität“ unter Inanspruchnahme von Ausgleichsmaßnahmen weitegehend einschränken bzw. für bisher wesentliche Anwendungsbereiche verunmöglichen.

Die Mitgliedstaaten haben die Europäische Richtlinie bis zum 27.03.2026 in nationales Recht umzusetzen und dieses sodann spätestens ab dem 27.09.2026 anzuwenden. Denkbar bzw. zumindest nicht ausgeschlossen ist indes, dass der Europäische Gesetzgeber zuvor Änderungen an der Richtlinie vornimmt. Derzeit stehen mehrere Europäische Rechtsakte mit Umweltbezug im Rahmen des sog. „Clean Industrial Deals“ auf dem Prüfstand der Europäischen Union. Die konkrete Entwicklung bleibt zu beobachten und abzuwarten.

Bei Fragen zu den neuen Anforderungen der umwelt- und klimabezogenen Werbung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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