Das Bayrische Oberlandesgericht (im folgenden BayObLG) bestärkt in seinem Beschluss vom 28.02.2023 (3194.Z3-3_01-22-41) die strengen Anforderungen an eine Direktvergabe von Restleistungen nach Kündigung des Auftragnehmers.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurde ein Unternehmen nach erfolgreicher Durchführung eines Vergabeverfahrens mit Rückbauarbeiten, Herstellung des Baugrubenverbaus und der Aushub der Baugrube einschließlich Entsorgung aller anfallenden Massen beauftragt. Im Zuge der Arbeiten kam es jedoch zu Verzögerungen und Mängeln bei der Leistungserbringung, woraufhin der Auftraggeber dem Unternehmen kündigte. Die Restleistungen wurden sodann direkt und ohne erneute Durchführung eines Vergabeverfahrens bei dem Unternehmen beauftragt, welches die nachgelagerten Rohbauarbeiten herstellen sollte. Gegen diese Beauftragung ging das gekündigte Unternehmen vor.
Mit Erfolg! Nach Auffassung des Gerichts war die direkte Beauftragung vergaberechtswidrig, denn es handelte sich hierbei eindeutig um einen Fall der Ersetzung des Auftragnehmers während der Vertragslaufzeit. Und nach der Systematik des § 132 GWB kann in einem solchen Fall der Auftragnehmer ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens ausschließlich unter engen Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GWB erfolgen.
Hiernach muss für die Ersetzung des bisherigen Auftragnehmers durch einen neuen Auftragnehmer entweder im bisherigen Vertrag eine Überprüfungsklausel vorgesehen gewesen sein, ein anderes Unternehmen aufgrund einer Unternehmensumstrukturierung an die Stelle des ursprünglichen Auftragnehmers treten oder der Auftraggeber selbst die Verpflichtungen des Hauptauftragnehmers übernehmen. Zudem darf der Preis um nicht mehr als 50 % des ursprünglichen Auftragswertes erhöht werden. Diese Voraussetzungen lagen im vorliegenden Fall nicht vor.
Daher spielt es auch keine Rolle, ob – wie es der Auftraggeber vorgetragen hatte – der Fall der Kündigung des bisherigen Auftragnehmers eine Änderung aufgrund von Umständen darstellt, die der öffentliche Auftraggeber nicht vorhersehen konnte. Dieser Fall ist aufgrund der Systematik des § 132 GWB hier nicht anwendbar.