Nachhaltigkeit im Vergaberecht – Ein Überblick

Austausch von Ausschreibungen und Dokumenten bei Vergabeverfahern mit Nachhaltigkeitsaspekten

Nachhaltigkeit gewinnt in allen Bereichen des Lebens an Bedeutung. Die öffentliche Hand hat dabei eine besondere Verantwortung. Aufgrund ihrer immensen Kaufkraft hat sie die Möglichkeit, Märkte zu gestalten und zu beeinflussen. Doch wie kann eine nachhaltige Beschaffung umgesetzt werden, ohne die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit negativ zu beeinflussen? Zu dieser Frage möchten wir nachfolgend einen Überblick geben.

(1) Verpflichtung zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Beschaffung?

        Es mag überraschen, aber der rechtliche Rahmen für ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Beschaffungswesen ist bisher noch eher rudimentär ausgebildet:

        Die vergaberechtlichen Normen sehen eine verbindliche Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bisher nur in Ausnahmefällen vor. Werden beispielsweise Haushaltswaren beschafft, müssen die Energieeffizienzklassen der Produkte berücksichtigt werden.

        Eine übergeordnete allgemeine gesetzliche Regelung existiert hingegen bisher nicht. Zwar legt der Wortlaut des § 97 Abs. 3 GWB nahe, dass öffentliche Auftraggeber verpflichtet sind, bei der Vergabe soziale und umweltbezogene Aspekte zu berücksichtigen („werden…berücksichtigt“). Die der Vorschrift zugrundeliegenden EU Richtlinie stellt jedoch klar, dass mit der Vorschrift keine „allgemeinen Anforderungen an eine umweltfreundliche und soziale Beschaffung“ begründet werden sollen (Erwägungsgrund 95 der RL 2014/24/EU).

        Begründen lässt sich allerdings schon heute eine allgemeine Pflicht der öffentlichen Hand, Klimaschutzziele nicht nur allgemein, sondern gerade auch im Rahmen von Beschaffungsprozessen zu beachten. Grundlage hierfür ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine staatliche Pflicht zum Schutz des Klimas besteht (Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18, 1 BvR 288/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20).

        (2) Status quo

              In der Praxis priorisiert die öffentliche Hand bislang den niedrigen Anschaffungspreis und daneben vor allem qualitative Aspekte. Nachhaltigkeits- und Klimaschutzaspekte finden bislang nur selten Berücksichtigung.

              Ein Grund für diese Zurückhaltung dürfte darin liegen, dass die praktische Umsetzung als problematisch angesehen wird. Befürchtet wird insbesondere eine zunehmende Komplexität der Vergabeverfahren. Richtig ist, dass bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien vorab einige Überlegungen anzustellen sind und eine sorgfältige Planung des Vergabeverfahrens unerlässlich ist. Vielfach sind dann aber die erarbeiteten Kriterien auf eine Vielzahl von Beschaffungen anwendbar, so dass sich die Bedenken der verantwortlichen Stellen wieder relativieren.

              (3) Wie können nachhaltige Aspekte berücksichtigt werden?

                Grundsätzlich ist eine Berücksichtigung von nachhaltigen Aspekten auf sämtlichen Ebenen des Beschaffungsvorgangs möglich. Wichtig ist, dass die Anforderungen mess- und überprüfbar sowie transparent und objektiv sind, um den Wettbewerb nicht zu verzerren:

                1. Auf der Ebene der Leistungsbeschreibung durch Gütezeichen, die die Leistung betreffen (bspw. Blauer Engel).
                2. Auf der Ebene der Eignung als Eignungskriterium durch die Anforderung von Nachweisen über Umweltmanagementsysteme (bspw. Zertifikate wie EMAS oder ISO 14001) oder durch die Anforderung von Nachweisen über Referenzen bezüglich der Umsetzung nachhaltiger Projekte.
                3. Auf der Ebene der Angebotswertung als Zuschlagskriterium durch Festlegung von sozialen/ökologischen Zuschlagskriterien. Vorteil hierbei ist, dass die beste, also die sozialste/ökologischste Lösung möglich ist, anstatt lediglich die Mindestanforderung aufzustellen.

                            (4) Beispiel: Lebenszykluskosten

                            Im Rahmen der Zuschlagskriterien können nachhaltige Aspekte auch mittelbar, z.B.  über das Kriterium „Preis“ Berücksichtigung finden. Dies kann insbesondere dergestalt erfolgen, dass die Lebenszykluskosten eines Produkts bewertet werden.

                            Lebenszykluskosten sind alle relevanten Kosten, die ein Produkt während seines gesamten Produktlebenszyklus verursacht. Die Möglichkeit, Kosten zu berücksichtigen, die durch externe Effekte der Umweltbelastung entstehen, welche mit der Leistung während ihres Lebenszyklus in Verbindung stehen, wird für den Oberschwellenbereich sogar ausdrücklich vorgesehen (§ 59 VgV).

                            Voraussetzung für die Bewertung der Lebenszykluskosten ist, dass ihr Geldwert bestimmt und geprüft werden kann. Konkret können also etwa die Kosten für den notwendigen Erwerb von Immissionszertifikaten oder andere Ausgleichmaßnahmen berücksichtigt werden.

                              (5) Fazit

                              Das Vergaberecht ist ein wirksames Instrument, um eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten. Durch die Integration von Umwelt- und sozialen Kriterien in die öffentliche Beschaffung können erhebliche positive Effekte erzielt werden, ohne dass die Beschaffung zwangsläufig teurer werden muss.

                              Wir unterstützen Sie gerne dabei, Vergabeverfahren unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien rechtssicher und effizient zu gestalten.

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