Selbst der Weiterbetrieb eines medizinischen Labors darf nicht ohne Weiteres direkt beauftragt werden. So stellte die VK Südbayern in ihrem Beschluss vom 26.06.2023 (3194.Z3-3_01-23-9) fest, dass selbst für den Betrieb von Laboren, in denen Patientenproben analysiert werden und für die eine Aussetzung oder Unterbrechung der Leistung zu einer Gefährdung der Patientenversorgung führen kann, eine Direktvergabe der Interimsleistungen nicht zulässig ist, wenn der Auftraggeber es versäumt hat, sich rechtzeitig um die Neuausschreibung zu kümmern und somit die Dringlichkeit selbst aktiv herbeigeführt hat.
In dem hier zugrunde liegenden Fall hat die Vergabekammer bereits zuvor eine Direktbeauftragung ohne erneute europaweite Ausschreibung abgelehnt. Darüber haben sich der Auftraggeber und der Auftragnehmer jedoch hinweggesetzt und – daher von Gesetzes wegen unwirksame – Verträge zum weiteren Laborbetrieb abgeschlossen. Der Auftraggeber beabsichtigt nun, den bisherigen Auftragnehmer zumindest interimsweise mit der weiteren Ausführung der Leistungen zu beauftragen – wieder als Direktauftrag. Diesmal, weil nur dieser in der Lage sei, die Leistungen lückenlos zu erbringen. Auf eine Rüge hin äußerte sich die Vergabekammer nun erneut in diesem Fall und erklärte die direkte Beauftragung wiederholt für unzulässig!
Zwar gibt es Fälle, in denen eine Direktbeauftragung zulässig ist. Dabei handelt es sich aber um sehr eng auszulegende Ausnahmetatbestände. Angesichts der Wettbewerbsbeschränkung sollen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen – für die der Auftraggeber beweispflichtig ist – zulässig sein. Allein dass es sich um Leistungen der Daseinsvorsorge handelt, die nicht unterbrochen werden dürfen, ist nicht ausreichend. Denn würde man den zeitlichen Aspekt, dass eine bestimmte Leistung nur von einem Unternehmen sofort bruchlos erbracht werden kann, zur Begründung eines Alleinstellungsmerkmals zulassen, hätte es der Auftraggeber in der Hand, durch Verzögerungen der Beschaffung bis entsprechender Zeitdruck erreicht ist, eine entsprechende Direktvergabe erreichen zu können.
Auch eine Direktbeauftragung wegen eines unvorhersehbaren Ereignisses und dafür kausalen dringlichen und zwingenden Gründen kommt hier nicht in Betracht, denn der Auftraggeber darf die Dringlichkeit gerade nicht selbst verursacht haben. Im vorliegenden Fall hat die Vergabekammer bereits die objektive Dringlichkeit der Leistung in Zweifel gezogen. Immerhin erfolgt die Leistungserbringung derzeit auf Grundlage von unwirksamen Verträgen. Diese Situation war für den Auftraggeber nicht nur vorhersehbar, sondern wurde von ihm auch selbstverschuldet, da er diese Situation durch sein vergaberechtswidriges Vorverhalten aktiv herbeigeführt und keinerlei Anstalten unternommen hat, sie zu vermeiden. Auch wenn es Fälle gibt, bei denen die Mitverursachung der Dringlichkeit durch den Auftraggeber hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Versorgungsleistung zurücktritt, so kann dies im vorliegenden Fall nicht gelten. Denn ein öffentlicher Auftraggeber ist verpflichtet sich rechtstreu zu verhalten und die erforderlichen Konsequenzen aus der Nichtigkeit des von ihm geschlossenen Vertrags zu ziehen. Die Interimsvergabe würde hier lediglich dazu dienen eine bestandskräftige Entscheidung der Nachprüfungsinstanzen zu umgehen.