Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 30. September 2022 (Az. Verg 40/21) ein weiteres Mal einer Gesamtvergabe eine Absage erteilt. Dabei nahm das Gericht die Entscheidung zum Anlass, sich ausführlich mit dem Grundsatz der Teil- und/oder Fachlosvergabe nach § 97 Absatz 4 GWB zu beschäftigen.
In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Auftraggeber, eine bundesweit tätige Krankenkasse, einen Rahmenvertrag über die Erbringung von Postdienstleistungen mit einer Laufzeit von 48 Monaten europaweit ausgeschrieben. Der Auftrag beinhaltete die Abholung, Beförderung und Zustellung bundesweiter Sendungen, auf eine Teillosbildung hinsichtlich der Zustellregionen wurde allerdings verzichtet. Eine regional ansässige Bieterin sah darin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Teil- und/oder Fachlosvergabe gemäß § 97 Absatz 4 GWB und rügte diesen erfolgreich im Rahmen eines Nachprüfungsantrags (VK Bund, Beschluss vom 15. Juli 2021 – Az. VK 1-54/21).
Das OLG Düsseldorf bestätigte den Beschluss der Vergabekammer und wies die Beschwerde des Auftraggebers vollständig zurück. Dieser hatte nicht überzeugend darlegen können, dass im streitgegenständlichen Vergabeverfahren ausnahmsweise eine Gesamtvergabe gerechtfertigt gewesen wäre.
Grundsätzlich obliegt die Bestimmungsfreiheit bezüglich der Gestaltung der auszuschreibenden Leistung allein dem öffentlichen Auftraggeber, d.h. er hat darüber zu entscheiden, welchen Umfang die zu vergebende Leistung im Einzelnen haben und ob ggf. mehrere Leistungsuntereinheiten gebildet werden sollen.
Begrenzt wird diese Bestimmungsfreiheit unter anderem durch den Grundsatz der Teil- und/oder Fachlosvergabe gemäß § 97 Absatz 4 GWB. Dieser besagt, dass bei der Vergabe die Interessen mittelständischer Unternehmen angemessen zu berücksichtigen sind. Ein öffentlicher Auftraggeber hat insofern stets dafür Sorge zu tragen, dass möglichst eine Vielzahl (mittelständischer) Unternehmen am Vergabeverfahren teilnehmen können.
Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, seien grundsätzlich jegliche Aufträge, bei denen eine Bildung von Teil- und/oder Fachlosen möglich erscheine, mengenmäßig aufzuteilen und getrennt nach Art oder Fachgebiet zu vergeben.
Eine Gesamtvergabe komme hingegen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dies sei der Fall, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe vorliegen, die ausnahmsweise das Absehen von einer Teil- und/oder Fachlosvergabe rechtfertigen würden. Erforderlich sei stets eine umfassende Abwägung der für und gegen eine Losvergabe sprechenden Belange, wobei letztere für die Zulässigkeit einer Gesamtvergabe eindeutig überwiegen müssen.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fredericka Behn, Rechtsanwalt Fritz Stöcklein