Das Comeback der Mindestsatzklage!

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Entscheidung des EuGH vom 18.01.2022 – Mindestsatzklagen von Architekten und Ingenieuren sind nach der alten HOAI 2013 weiterhin möglich.

Nachdem der EuGH mit seinem Urteil vom 04.07.2019 (Az.: C-377/17) entschieden hatte, dass das zwingende Preisrecht der HOAI gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstieß, war unklar, ob Mindestsatzklagen unter Berufung auf § 7 HOAI 2013 weiterhin möglich waren oder nicht. Hierzu hat sich in Deutschland eine divergierende Rechtsprechung entwickelt, die dazu führte, dass der Bundesgerichtshof (BGH) sich in einem Vorabentscheidungsverfahren zur Klärung dieser Frage an den EuGH wandte.

1. Die Entscheidung des EuGH vom 18.01.2022

Der EuGH hat nun mit seinem Urteil vom 18.01.2022 (Az.: C-261/20) entschieden, dass nationale Gerichte § 7 HOAI 2013 nicht allein deshalb nicht anwenden dürfen, weil er gegen eine Richtlinie des Unionsrechts verstößt. § 7 HOAI 2013 ist für die entsprechenden Altfälle zwischen Privatpersonen (in Abgrenzung zur öffentlichen Hand bzw. öffentlicher Stellen) daher weiterhin anwendbar und das zwingende Preisrecht verbindlich. Das Urteil betrifft vor dem 31.12.2020 geschlossene Planerverträge, bei denen ein Honorar vereinbart wurde, das unterhalb der Mindestsätze gemäß § 7 HOAI 2013 lag.

2. Begründung des Urteils vom 18.01.2022

Der EuGH begründet seine Entscheidung damit, dass Richtlinien selbst keine Pflichten für Privatpersonen begründen. Vielmehr sind Richtlinien von den jeweiligen Mitgliedstaaten umzusetzen. Bis zur Umsetzung des Unionsrechts in nationales Recht verbleibt es damit bei der nationalen Regelung, selbst wenn diese gegen Unionsrecht verstößt.

Der sogenannte Anwendungsvorrang des Unionsrechts führt zwar dazu, dass die nationalen Gerichte das innerstaatliche Recht so weit wie möglich unionsrechtskonform auslegen müssen. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass ein Gesetz entgegen seinem eindeutigen Wortlaut und dem vom Gesetz- und Verordnungsgeber verfolgten Sinn und Zweck ausgelegt wird. Dies wäre allerdings vorliegend der Fall.

Der EuGH wies ausdrücklich auf die Möglichkeit der Haftung der Mitgliedsstaaten gegenüber Privaten hin, wenn diese Richtlinien nicht oder nicht richtig umsetzen und Privaten dadurch ein Schaden entsteht.

3. Fazit

Sofern für entsprechende „Altfälle“ Mindestsatz- oder Aufstockungsklagen im Raum stehen, sollte vor dem Hintergrund dieser EuGH-Entscheidung geprüft werden, ob auf den Mindestsätzen beruhende Honoraransprüche im Einzelfall durchgesetzt werden können. Zudem gilt es zu prüfen, ob und inwiefern die Bundesrepublik Deutschland von Auftraggebern in Anspruch genommen werden kann, wenn sie zur Zahlung des Mindestsatzes verpflichtet werden, obwohl sie einen geringeren Preis vereinbart hatten.

Seit dem 01.01.2021 gilt ohnehin die „neue HOAI“, die kein verbindliches Preisrecht mehr vorgibt, den Parteien aber einen größeren Gestaltungsspielraum für Honorarvereinbarungen zugesteht (lesen Sie zu den Auswirkungen der neuen HOAI auf die Vertragsgestaltung DIE NEUE HOAI 2021- AUSWIRKUNGEN AUF DIE HONORARGESTALTUNG – ZIRNGIBL Blog).

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