Wesentlicher Zweck des Vergaberechts ist die Sicherstellung eines transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerbs im öffentlichen Beschaffungswesen. Öffentliche Auftraggeber sind daher gemäß § 7 II VOB/A grundsätzlich verpflichtet, Leistungen produktneutral auszuschreiben. In der Leistungsbeschreibung darf daher grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Produktion, Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Unternehmen bereitgestellten Produkte charakterisiert, verwiesen werden.
Im streitgegenständlichen Vergabeverfahren (VK Lüneburg, Beschluss vom 18.08.2023 – Az. VgK-23/2023) hatte ein Auftraggeber die Erweiterung einer bereits bestehenden Rohrpostanlage eines Krankenhauses ausgeschrieben und in der Leistungsbeschreibung eine bestimmte Geräteart vorgegeben.
Eine Bieterin, die wegen Nichtbeachtung dieser Produktvorgabe vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde, sah darin eine Verletzung des Gebots der produktneutralen Ausschreibung nach § 7 II VOB/A und stellte einen Nachprüfungsantrag.
Die zuständige Vergabekammer Lüneburg wies den Nachprüfungsantrag mit der Begründung zurück, dass in bestimmten Ausnahmefällen eine produktscharfe Ausschreibung zulässig ist. Dafür muss der Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angeben und darlegen, dass die wettbewerbsbeschränkende Vorgabe willkürfrei getroffen worden ist.
Der Auftraggeber hatte im vorliegenden Fall die produktspezifische Ausschreibung damit gerechtfertigt, dass Eingriffe in die Bestandsanlage aufgrund der großen Bedeutung der Rohrpostanlage für den Krankenhausbetrieb (beispielsweise als Transportweg von Gewerbe- und Blutproben zum Zentrallabor) weitestgehend verhindert werden sollen.
Bei der Einschätzung, ob eine produktscharfe Ausschreibung zulässig ist, steht dem öffentlichen Auftraggeber insoweit ein Beurteilungsspielraum zu.
Dieser ist zwar durch etwaige Nachprüfungsinstanzen voll überprüfbar. Für die Überprüfung kommt es allerdings lediglich darauf an, dass die Erwägungen, d.h. Gründe, die für eine produktspezifische Ausschreibung im Einzelfall sprechen, plausibel dargelegt und dokumentiert werden.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fredericka Behn, Rechtsanwalt Fritz Stöcklein