ZL-Sonderreihe Betriebsratswahl 2022: Wahlunterlagen – Recht des Arbeitgebers auf Einsichtnahme

Colourful overlapping silhouettes of people voting. EPS10 file, best in RGB, CS5 versions in zip

Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, die Ordnungsmäßigkeit einer Betriebsratswahl zu überprüfen, bis hin zur Anfechtung der Wahl vor Gericht. Da der Arbeitgeber die Wahl aber nicht selbst durchführt, ist er in vielerlei Hinsicht auf die Wahlunterlagen angewiesen, die der Wahlvorstand erstellt hat. Diese Unterlagen darf er einsehen.

1. Wahlakten

Der Wahlvorstand, der für die Organisation und Durchführung der Wahl des Betriebsrats zuständig ist, muss direkt im Anschluss an die konstituierende Sitzung des neugewählten Betriebsrats die Wahlakten an diesen übergeben. So sieht es § 19 der Wahlordnung (WO) vor. Davon umfasst sind die gesamten Wahlunterlagen, einschließlich aller Sitzungsniederschriften, Ausgänge, Protokolle, Bekanntmachungen, Stimmzettel, Wahlumschläge, Zustellungsnachweise, die gemäß § 16 WO anzufertigende Wahlniederschrift und bei schriftlicher Stimmabgabe die Freiumschläge. Der Betriebsrat wiederum ist verpflichtet, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren. Es versteht sich von selbst, dass die Wahlakten wichtige Aufschlüsse darüber liefern können, wie die Wahl im Detail organisiert und durchgeführt worden ist und ob dabei die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der WO eingehalten wurden.

2. Zweck der Aufbewahrung

Die Aufbewahrungspflicht dient dementsprechend dem Zweck, dass auch noch nach dem Abschluss einer Betriebsratswahl überprüft werden kann, ob die Wahl ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Insofern gibt es durchaus eine große Anzahl an Regeln, auf deren Einhaltung es ankommt. Wir hatten in unserem letzten Beitrag darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des Betriebsbegriffs von entscheidender Bedeutung für eine ordnungsgemäße Betriebsratswahl ist, also das „Wo“ der Betriebsratswahl mit großer Sorgfalt bestimmt werden muss. Da es sich bei der Betriebsratswahl um eine Wahl nach demokratischen Grundsätzen handelt, gibt es aber selbstverständlich auch noch eine Reihe an Vorschriften zum „Wie“ der Wahl. Davon umfasst sind beispielsweise die Regeln zur Zulassung von Wahlvorschlägen.

3. Recht auf Einsichtnahme durch den Arbeitgeber

Aus dem vorstehend geschilderten Zweck der Aufbewahrungspflicht leitet das Bundesarbeitsgericht ein Recht des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die Wahlakten des Betriebsrats ab. Ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in die Wahlakten haben demnach alldiejenigen, für die die Gültigkeit der Betriebsratswahl von Bedeutung ist. Das sind alle, die nach dem Gesetz berechtigt sind, die Betriebsratswahl anzufechten und damit neben den (drei) Wahlberechtigten und einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft auch der Arbeitgeber. Dass dieses Einsichtnahmerecht besteht, ist folgerichtig, aber nicht selbstverständlich, denn ausdrücklich im Gesetz erwähnt wird es nicht.

Das Bestehen des Einsichtnahmerechts wird nun zwar in Bezug auf die Wahlanfechtungsmöglichkeiten des Arbeitgebers begründet, ist allerdings nicht auf die Wahlanfechtung beschränkt. Würde man das anders sehen, so könnte man auf die Idee kommen, die Einsichtnahmerechte des Arbeitgebers auf einen Zeitraum von zwei Wochen nach der Wahl zu beschränken. Die Anfechtung einer Betriebsratswahl muss schließlich im Rahmen einer Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG erfolgen und damit innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Allerdings ist es nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts erstens so, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit haben soll, Fehler im Wahlverfahren aufzudecken, um diese bei der nächsten Wahl zu vermeiden und eine Anfechtbarkeit kommender Wahlen zu verhindern. Zweitens kann die Wahl auch noch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist angefochten werden, auch wenn hier die Hürden höher liegen. Die Wahl muss dann nicht nur fehlerhaft, sondern nichtig gewesen sein, was bedeutet, dass ihr quasi „auf der Stirn steht“, dass sie mit einer Wahl nach dem geltenden Wahlrecht nichts zu tun hatte.

Da der Arbeitgeber – so hält das Bundesarbeitsgericht weiter fest – ein berechtigtes Interesse an einer „effektiven und gedeihlichen Zusammenarbeit“ mit dem Betriebsrat hat und außerdem geneigt sein dürfte, nicht unnötig Kosten auf ein aussichtsloses Wahlanfechtungsverfahren zu verwenden, hat er per se ein berechtigtes Interesse daran, die Wahlunterlagen einzusehen. Dementsprechend ist sein Anspruch nicht dadurch beschränkt, dass er Anhaltspunkte für die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit darlegen kann.

4. Einschränkungen

Eingeschränkt wird das Recht des Arbeitgebers allerdings im Hinblick auf solche Bestandteile der Wahlakten, aus denen Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer gezogen werden können. Hier kann der Arbeitgeber nur Einsicht nehmen, wenn dies zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat der Arbeitgeber gesondert darzulegen. In Betracht kommen hier – so das BAG wörtlich – an den Wahlvorstand gerichtete Schreiben einzelner Wahlberechtigter oder gegebenenfalls auch von Briefwählern zurückgesandte Briefwahlunterlagen. Außerdem kann aus den Stimmabgabevermerken des Wahlvorstands auf der Wählerliste entnommen werden, wer sich nicht an der Wahl beteiligt hat. An einer Einsichtnahme durch den Arbeitgeber stehen in Bezug auf solche Unterlagen berechtigte Interessen der Arbeitnehmer entgegen, zu deren Gunsten dann das Wahlgeheimnis überwiegt.

5. Gerichtliche Durchsetzung

Seinen Anspruch auf Einsichtnahme kann der Arbeitgeber gerichtlich durchsetzen. Hier ist aber Sorgfalt geboten, um nicht mit einem Antrag vor Gericht zu unterliegen, der auch die Herausgabe von Unterlagen umfasst, die von den vorstehend geschilderten Einschränkungen umfasst sind. Musste der Arbeitgeber sein Einsichtnahmerecht gerichtlich geltend machen und hat er in dem Verfahren gewonnen, so lässt sich der Anspruch auf Herausgabe – sofern erforderlich – mit Hilfe des Gerichtsvollziehers durchsetzen.

6. Fazit

Der Arbeitgeber kann sich Kenntnisse von der Durchführung der Wahl durch Einsichtnahme in die Wahlunterlagen verschaffen. Diese muss der Betriebsrat nach seiner konstituierenden Sitzung erhalten haben und bis zum Ende der Wahlperiode aufbewahren. Bei Fragen rund um das Thema Betriebsratswahlen steht Ihnen das Arbeitsrechts-Team von ZIRNGIBL jederzeit gerne zur Seite.

    Sie haben Fragen oder Anregungen zum Artikel?

    Jetzt Kontakt aufnehmen:





    * Pflichtfeld

    Related Posts