Die Betriebsratswahlen 2022 rücken immer näher. Viele Arbeitgeber sind unsicher, ob und inwieweit sie im Wahlkampf Einfluss auf diesen nehmen dürfen.
Meinungsfreiheit vs. Neutralitätspflicht des Arbeitsgebers
Die in der arbeitsrechtlichen Literatur z.T. noch vertretene Ansicht, der Arbeitgeber müsse vollständige Neutralität während des Wahlkampfes der Betriebsratswahlen wahren, ist von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2017 erfreulicherweise eine klare Absage erteilt worden.
Auch dem Arbeitgeber steht es zu, seine Meinung frei zu äußern und Stellung im Wahlkampf zu beziehen. Ihm ist es gestattet, sachlich und inhaltlich zutreffende Kritik an dem bestehenden Betriebsrat zu äußern und auch öffentlich seine Meinung zu einzelnen Kandidaten kundzutun.
Grenzen des § 20 Abs. 2 BetrVG
Ihre Grenzen findet die Meinungsfreiheit des Arbeitgebers allerdings in der gesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 2 BetrVG. Danach ist jede unzulässige Beeinflussung der Wahl durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Versprechen eines Vorteils untersagt. Die Vorschrift dient dem Schutz der freien Willensbildung der Wahlbeteiligten. Untersagt ist jede in Aussicht gestellte Begünstigung oder Benachteiligung, die bewirken soll, dass Wahlbeteiligte ihre Befugnisse nicht nach eigenem Ermessen, sondern in einem von dritter Seite gewünschten Sinne ausüben. Auf den tatsächlichen Eintritt des Vor- oder Nachteils kommt es nicht an.
Konkret bedeutet dies, dass es dem Arbeitgeber untersagt ist, Sonderleistungen nur einzelnen Kandidaten bereit zu stellen und hierdurch andere spiegelbildlich zu benachteiligen. Solche Sonderleistungen können in Form von finanziellen Vorteilen aber auch in der Gewährung von Arbeitszeit für die Wahlvorbereitung liegen. Immer dann, wenn einzelne Kandidaten etwas erhalten bzw. vorenthalten wird, kann hieraus eine unzulässige Wahlbeeinflussung liegen.
Zur Veranschaulichung:
DO | DON‘T |
Einzelne Listen und Kandidaten öffentlich befürworten/kritisieren | |
Wahlwerbung aller Kandidaten verteilen | Lediglich die Werbung einzelner Kandidaten verbreiten |
Plakatierung im Betrieb aller Kandidaten | Plakatierung von ausgewählten Kandidaten |
Gestattung der Wahlvorbereitung während der Arbeitszeit für alle Kandidaten | Wahlvorbereitung während der Arbeitszeit einzelner Kandidaten gestatten und im Übrigen ablehnen |
Gestattung von finanziellen Sonderleistungen | Sonderleistungen lediglich für ausgewählte Kandidaten |
Risiken
Sollte der Arbeitgeber sich im Wahlkampf eines der in § 20 Abs.2 BetrVG genannten Mitteln bedienen, resultieren hieraus (insbesondere) eine eventuelle Anfechtbarkeit des Wahlergebnisses sowie möglicherweise sogar strafrechtliche Konsequenzen für den Arbeitgeber.
Fazit
Während des Wahlkampfes besteht zwar keine völlige Neutralitätspflicht des Arbeitgebers. Öffentliche Sympathiebekundungen oder sachliche Kritik für Kandidaten oder Listen sind nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zulässig.
Aufgrund der vorstehend genannten Risiken sollte der Arbeitgeber aber alle potentiell für das Wahlergebnis relevante Handlungen und Äußerungen sorgfältig daraufhin prüfen, ob in diesen nicht doch (mittelbar) die Gewährung von Vorteilen oder eine Androhung von Nachteilen im Sinne der Rechtsprechung des BAG liegen könnte, und im Zweifel zuvor Rechtsrat einholen.
Dies stellt den ersten Artikel in einer Reihe zum Thema Betriebsratswahlen 2022 dar. Wir freuen uns Sie weiterhin informieren zu dürfen.