ZL-Sonderreihe Betriebsratswahl 2022: Der Betriebsbegriff – Wo wird gewählt?

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Für die Durchführung der Betriebsratswahl ist es von entscheidender Bedeutung, den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff korrekt anzuwenden. Nach diesem bestimmt sich, für welche rechtliche Einheit und damit für welche Arbeitnehmer der Betriebsrat überhaupt gewählt wird. Auch das Wahlrecht, die Wählbarkeit und die Größe des Betriebsrats sind hiervon abhängig.

Betrieb

Der Betriebsrat ist – wie der Name bereits verrät – grundsätzlich für Betriebe und nicht für das Unternehmen des Arbeitgebers zu wählen. Das Unternehmen ist der Rechtsträger des Betriebs (z.B. eine GmbH). Ein Unternehmen kann daher auch mehrere Betriebe mit eigenen Betriebsräten haben. Demgegenüber wird unter dem Betrieb nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

die organisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft muss von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden.

Bei der Bestimmung des Betriebs stellt die Rechtsprechung maßgeblich darauf ab, wo der Kern der Arbeitgeberfunktionen im Bereich der personellen und sozialen Mitbestimmung ausgeübt wird. Ein selbstständiger Betrieb liegt daher immer dann vor, wenn die menschliche Arbeitskraft durch einen einheitlichen Leitungsapparat (Personalleitung) gesteuert wird. Dies ist zielführend, da der Betriebsrat dort gebildet werden soll, wo er Einfluss auf die Betriebsleitung nehmen kann. Da es nicht erforderlich ist, dass die Arbeitnehmer eines Betriebs räumlich zusammenarbeiten, können auch mehrere räumlich entfernte Betriebsstätten oder Filialen eines Unternehmens zusammen einen einzigen, einheitlichen Betrieb bilden, in dem nur ein Betriebsrat zu wählen ist, solange sie unter einer einheitlichen Leitung stehen.

Betriebsteil

Ein vom Hauptbetrieb abgrenzbarer Betriebsteil, in dem ein eigener Betriebsrat gewählt werden kann, liegt nach § 4 Abs. 1 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ausnahmsweise vor, wenn er

  • entweder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder
  • durch Aufgabenbereich und Organisation selbstständig ist.

Beide Alternativen erfordern, dass vor Ort zumindest gewisse Leitungsstrukturen vorhanden sind (z.B. eigene Vorgesetzte, eigene Dienst- und Urlaubsplanung etc.).

Eine hinreichende räumliche Entfernung wird dann bejaht, wenn wegen der Entfernung eine persönliche Kontaktaufnahme zwischen dem Betriebsrat im Hauptbetrieb und den Arbeitnehmern im Betriebsteil so erschwert ist, dass eine ordnungsgemäße Betreuung der Arbeitnehmer im Betriebsteil durch den Betriebsrat des Hauptbetriebs nicht mehr gewährleistet ist. Wegen den modernen Kommunikationsmitteln kann zwar nicht auf eine konkrete räumliche Entfernung abgestellt werden. In der Regel sind jedoch Entfernungen von ca. 300 Kilometern ausreichend.

Ein eigenständiger Aufgabenbereich liegt insbesondere vor, wenn sich der mit dem Betriebsteil verfolgte Zweck fachlich von dem Zweck des Gesamtbetriebs abhebt (z.B. Lackiererei einer Autowerkstatt).

Gemeinsamer Betrieb

Bei einer gemeinsamen Leitung können auch mehrere Unternehmen arbeitsrechtlich einen Betrieb (sog. gemeinsamer Betrieb) bilden, in dem ein Betriebsrat gewählt werden kann (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist Voraussetzung für einen gemeinsamen Betrieb, dass die Unternehmen rechtlich miteinander verbunden sind und dass ein einheitlicher Leitungsapparat besteht, der gewährleistet, dass insbesondere der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Entscheidend ist vor allem, ob ein arbeitgeberübergreifender Personal- bzw. Betriebsmitteleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist.

Schaffung anderer betriebsverfassungsrechtlicher Organisationseinheiten

Nach § 3 BetrVG besteht die Möglichkeit, durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung auch andere betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten zu schaffen, die gem. § 3 Abs. 5 BetrVG als Betriebe gelten. Voraussetzung ist stets, dass dies einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient. Von dieser Regelung werden insbesondere Unternehmen und Konzerne erfasst, die in Form einer „Matrix“ organisiert sind. Hiernach können beispielsweise unternehmenseinheitliche Betriebsräte (anstelle von mehreren Betriebsräten und einem Gesamtbetriebsrat) oder auch Spartenbetriebsräte gebildet werden.

Gerichtliche Klärung bei Unsicherheiten

Um Unsicherheiten bei der Bestimmung des Betriebs zu vermeiden, bietet das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG die Möglichkeit einer Klärung des Betriebsbegriffs. Hiernach kann der Arbeitgeber ebenso wie der Betriebsrat, der Wahlvorstand und eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft durch das Arbeitsgericht klären lassen, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt. Die gerichtliche Entscheidung hat bindende Wirkung für alle Parteien.

Fazit

Die Bestimmung des Betriebs kann im Einzelfall sehr komplex sein. Wird der Betriebsbegriff verkannt, hat dies regelmäßig die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge. In Ausnahmefällen kommt auch die Nichtigkeit der Wahl in Betracht. Die korrekte Bestimmung des Betriebs hat somit erhebliche Bedeutung für den Arbeitgeber, um unnötigen zeitlichen und finanziellen Aufwand für eine etwaige Wahlwiederholung zu vermeiden. Bei Fragen rund um das Thema Betriebsratswahlen steht Ihnen das Arbeitsrechts-Team von ZIRNGIBL jederzeit gerne zur Seite.

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