Wegweisendes Urteil des BGH zum Ersatz von Vorhaltungskosten bei fehlender Baufreiheit

Wenn der Auftraggeber seine Mitwirkungspflichten zur Schaffung der Baufreiheit verletzt, steht dem Auftragnehmer gem. § 642 BGB ein Anspruch auf Entschädigung für die vergebliche Vorhaltung seiner Produktionsmittel bis zum Baubeginn bzw. zur Fortsetzung des Baus zu. Bis zuletzt war jedoch nicht höchstrichterlich geklärt, wie die Berechnung dieser Entschädigung vorzunehmen ist. Der BGH hat diese Frage kürzlich mit seinem wegweisenden Urteil vom 30.01.2020 – VII ZR 33/19 beantwortet.

Demnach muss der Auftragnehmer die Berechnung seines Entschädigungsanspruches „von unten nach oben“ durchführen. Er muss zunächst „unten“ ansetzen und die von ihm tatsächlich auf der stillstehenden Baustelle vergeblich vorgehaltenen Produktionsmittel (Arbeitskräfte, Gerätschaften etc.) darlegen. Als Nächstes muss er darlegen, dass er diese Produktionsmittel nicht anderweitig einsetzen konnte. Auf einer weiteren Stufe muss er schließlich anhand seiner Urkalkulation darlegen, welche Vergütungsanteile auf die jeweiligen vorgehaltenen Produktionsmittel entfallen. Hält der Auftragnehmer beispielsweise seinen Bauleiter, für den er ursprünglich eine Vergütung von 10.000 € pro Monat kalkuliert hat und der auf keiner anderen Baustelle eingesetzt werden kann, über den Zeitraum des Baustillstands von 6 Monaten vor, so ergibt sich zunächst ein Entschädigungsanspruch von 60.000 €. Hinzurechnen darf der Unternehmer dann noch die aus seiner Kalkulation abzuleitenden Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten und Wagnis und Gewinn.

Damit erteilt der BGH der bislang oft in der baubetrieblichen Praxis vorgenommenen Berechnung der Entschädigung “von oben nach unten” eine eindeutige Absage. Dabei berechneten die Auftragnehmer von „oben“ ansetzend anhand ihrer Urkalkulation die im Rahmen des Baustillstandes angefallenen unterdeckten allgemeinen Geschäftskosten oder den unterdeckten Gewinn.

Der BGH lehnt diese Berechnungsmethode mit der Begründung ab, der verschuldensunabhängige Anspruch aus § 642 BGB umfasse keinen vollständigen Ersatz des dem Unternehmer entstandenen Schadens. Es bestehe eben nur ein Anspruch auf „angemessene Entschädigung“, die durch eine Vergütung der konkret vorgehaltenen Produktionsmittel erfolgen könne.

Im Ergebnis ist den Auftragnehmern zu raten, die vergebliche Vorhaltung ihrer Produktionsmittel auf der Baustelle hinreichend detailliert zu dokumentieren. Gleichzeitig muss unbedingt geklärt werden, ob die vorgehaltenen Produktionsmittel nicht anderweitig eingesetzt werden können. Nur auf diese Weise wird ihnen die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches mit der vom BGH vorgegebenen Methode „von unten nach oben“ möglich sein.

Im Rahmen der Rechtsberatung ist zu prüfen, ob im Einzelfall statt des verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruches ein weitergehender verschuldensabhängiger Anspruch auf Ersatz der allgemeinen Geschäftskosten und des entgangenen Gewinns besteht.

Bei Beratungsbedarf stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Milan Meixelsberger

06.05.2020

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