Good-To-Know:
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer aktuellen Entscheidung erneut die Pflicht von Arbeitgebern zur sorgfältigen und zuverlässigen Aufzeichnung der Arbeitszeit von Arbeitnehmern festgestellt. Im konkreten Fall ging es um die Aufzeichnung der Arbeitszeiten von im privaten Bereich beschäftigten Hausangestellten. Ferner hat der EuGH klargestellt, dass dies digital z.B. mittels Apps, Excel-Tabelle etc. oder manuell z.B. in einem Notizbuch bzw. auf einem Stundenzettel mit Unterschrift erfolgen kann.
Rechtlicher Hintergrund:
Nach der Rechtsprechung des EuGHs sowie des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Neben Beginn und Ende der Arbeitszeit muss insbesondere auch die Lage der Ruhepausen festgehalten werden. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung will das BAG gestützt auf eine unionsrechtskonforme Auslegung aus den Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) herauslesen.
Ein schuldhafter Verstoß gegen diese nach Ansicht der Rechtsprechung bestehende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung stellt nach derzeitiger Gesetzeslage mangels einer gesetzlichen Rechtsgrundlage keine Ordnungswidrigkeit dar und kann damit kein unmittelbares Bußgeld nach sich ziehen. Die zuständige Behörde hat allenfalls im Einzelfall die Möglichkeit, gegenüber Arbeitgebern eine vollziehbare Anordnung zu erlassen, wonach dieser künftig die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen haben. Erst ein schuldhafter Verstoß gegen diese Anordnung könnte dann mit einem Bußgeld von bis zu EUR 30.000 verbunden werden.
Nun entschied der EuGH in seinem Urteil vom 19.12.2024 (Az.: C-531/23 Loredas), dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung insbesondere auch für „private“ Arbeitgeber bei der Beschäftigung von Hausangestellten im privaten Bereich gilt.
Sachverhalt:
In dem vom EuGH zu entscheidenden Fall ging eine Frau aus Spanien, die in Vollzeit als Hausangestellte beschäftigt war, gegen die Kündigung ihres Arbeitgebers vor und machte zudem auch noch ausstehende Lohnansprüche geltend. Nach spanischem Recht besteht keine gesetzliche Pflicht, die Arbeitszeit von Hausangestellten zu erfassen. Aus diesem Grund blieb die spanische Klägerin in erster Instanz erfolgslos. Ihr war es mangels Aufzeichnungen nicht möglich war, ihre Arbeitszeiten im Prozess nachzuweisen.
Verfahren:
Da das spanische Berufungsgericht an der Rechtmäßigkeit dieser Ausnahmeregelung des spanischen Rechts Zweifel hatte, rief es den EuGH an. Dieser entschied, dass nationale Regelungen, die bestimmte Arbeitnehmergruppen vom Schutz des arbeitsschutzrechtlichen Geltungsbereichs und insbesondere der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ausnehmen, gegen Unionsrecht verstoßen.
Die Arbeitszeitrichtlinie gelte für alle Arbeitnehmer, einschließlich Hausangestellter, die im privaten Bereich beschäftigt sind. Diese dürfen nicht schlechter gestellt werden als sonstige Arbeitnehmer. Auch ihnen müsse es möglich sein, objektiv und zuverlässig festzustellen, wie viele Arbeitsstunden sie geleistet haben und wann diese Stunden geleistet wurden.
Einordnung / Ausblick
Die Entscheidung des EuGHs zeigt erneut, dass der Anwendungsbereich der Pflicht zur Erfassung von Arbeitszeiten aus europäischer Sicht sehr weit ist. Gleichwohl fehlt es nach wie vor an einer Umsetzung dieser europäischen Vorgaben durch den deutschen Gesetzgeber ins nationale Recht. Es bleibt zu hoffen, dass die künftige Bundesregierung hier angemessene und klare gesetzliche Regelungen schafft. Wünschenswert wäre insbesondere, dass die Ausnahmen für besondere Gruppen von Arbeitnehmern – insbesondere leitenden Angestellte und Arbeitnehmer mit selbständiger Entscheidungsbefugnis – sowie für bestimmte Arten von Arbeit – u.a. mobiles Arbeiten –, wie sie in der europäischen Arbeitszeitrichtlinie vorgesehen sind, vom Gesetzgeber berücksichtigt werden.