Am 24.04.2024 hat das Europäische Parlament die Verabschiedung der Richtlinie über die „Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ („Corporate Sustainability Due Diligence Directive“; CSDDD) beschlossen. Die Verabschiedung der Richtlinie im Parlament war das Ergebnis zäher Verhandlungen, die insbesondere durch den Widerstand der FDP und deutscher Wirtschaftsverbände geprägt waren. Gegenüber dem Ende letzten Jahres im Trilog-Verfahren ausgehandelten Richtlinienentwurf wurde die nun vom Parlament verabschiedete Richtlinie an einigen Stellen abgeschwächt. Ungeachtet dessen gehen die Regelungen der CSDDD in einigen Punkten über die Regelungen des bereits in Deutschland in Kraft getretenen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) hinaus.
Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über die vom EU-Parlament beschlossenen Regelungen:
1. Anwendungsbereich
Bezüglich der betroffenen Unternehmen hat sich das Parlament für eine stufenweise Erweiterung des Anwendungsbereichs entschieden.
Die Richtlinie soll demnach drei Jahre nach deren Inkrafttreten (voraussichtlich 2027) auf EU-Unternehmen mit im Durchschnitt mehr als 5.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als EUR 1,5 Mrd. Anwendung finden. Europäische Muttergesellschaften fallen unter die Richtlinie, sofern die jeweiligen Schwellenwerte in der Unternehmensgruppe erreicht wurden. Unternehmen, die nach den Rechtsvorschriften eines Drittstaates gegründet wurden, fallen unter die CSDDD, sofern sie die jeweiligen Umsatzschwellen innerhalb der Union erwirtschaftet haben.
Vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie (voraussichtlich 2028) werden die Schwellenwerte auf 3.000 Beschäftigte und einen Nettoumsatz von EUR 900 Mio. gesenkt. Die endgültigen Schwellenwerte greifen schließlich fünf Jahre nach Inkrafttreten der CSDDD (voraussichtlich 2029) ein. Die maßgeblichen Schwellenwerte werden dann bei 1.000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von 450 Mio. EUR liegen. Zudem werden auch „Franchiseunternehmen“ mit einem weltweiten Umsatz von über EUR 80 Mio., die mindestens EUR 22,5 Mio. durch Lizenzgebühren erwirtschaften, unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
2. Sorgfaltspflichten innerhalb der „Aktivitätskette“
Die von den Unternehmen einzuhaltenden Sorgfaltspflichten decken sich weitestgehend mit den bereits bekannten Sorgfaltspflichten des LkSG. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasste Unternehmen müssen dafür Sorge tragen, dass sich ihre unternehmerische Tätigkeit nicht negativ auf Menschenrechte und/oder Umweltbelange auswirkt. Dies beinhaltet unter anderem die Verpflichtung zur Ermittlung etwaiger negativer Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit, der Vorbeugung etwaiger negativer Auswirkungen sowie die Pflicht negative Auswirkungen abzustellen bzw. zu reduzieren.
Die jeweiligen Sorgfaltspflichten knüpfen dabei an den Begriff der sogenannten „Aktivitätskette“ an. Die Aktivitätskette umfasst (i) Tätigkeiten von vorgelagerten Geschäftspartnern eines Unternehmens im Zusammenhang mit der Produktion von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen sowie (ii) die Tätigkeiten von nachgelagerten Geschäftspartnern eines Unternehmens im Zusammenhang mit dem Vertrieb, der Beförderung und der Lagerung eines Produkts. Geschäftspartner meint hierbei alle direkten und indirekten Geschäftspartner. Sorgfaltspflichten können folglich auch im Kontext mit der Tätigkeit eines Unternehmens entstehen, mit dem keine vertraglichen Beziehungen bestehen.
3. Eindämmung des Klimawandels
Im Gegensatz zum LkSG enthält die CSDDD ausdrückliche Regelungen zur Eindämmung des Klimawandels. Unternehmen sind demnach verpflichtet, einen Unternehmensplan zu entwickeln und umzusetzen, mit dem gewährleistet werden soll, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 C in Einklang zu bringen.
Der Unternehmensplan muss unter anderem folgende Punkte beinhalten: (i) konkrete Zielvorgaben für die Verringerung von Treibhausgasemissionen, (ii) eine Beschreibung der ermittelten Dekarbonisierungsfaktoren, (iii) eine Erläuterung und Quantifizierung der Investitionen und Finanzmittel zur Unterstützung der Umsetzung des Unternehmensplans sowie (iv) eine Beschreibung der Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit dem Unternehmensplan.
4. Sanktionen und zivilrechtliche Haftung
Die CSDDD sieht eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten zum Erlass wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen für den Fall vor, dass Unternehmen gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen. Ausdrücklich genannt werden dabei Zwangsgelder, die bis zu 5 % des weltweiten Nettoumsatzes betragen können.
Des Weiteren verpflichtet die CSDDD die Mitgliedstaaten zur Verankerung zivilrechtlicher Haftungsnormen in die nationalen Rechtsordnungen. Sobald die CSDDD in nationales Recht umgesetzt wurde, können Unternehmen daher zivilrechtlich haftbar gemacht werden, sofern sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen ihre Sorgfaltspflichten bezüglich der Verhinderung und Behebung negativer Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit verstoßen und dadurch Personen oder andere Unternehmen in ihren rechtlichen Interessen verletzt wurden.
5. Ausblick
Die vom EU-Parlament beschlossene CSDDD muss noch vom Rat gebilligt und im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Im Anschluss hieran haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Im Hinblick darauf, dass die Zustimmung des Rates lediglich als „Formsache“ gilt, sollten sich betroffene Unternehmen bereits jetzt auf die kommenden Regelungen der CSDDD vorbereiten. Zur Vermeidung von Sanktionen und zivilrechtlichen Haftungsrisiken ist es empfehlenswert, insbesondere die unternehmensinternen Risikomanagementsysteme und die vertraglichen Vereinbarungen mit Geschäftspartnern zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.