Leistungsfähigkeit als Voraussetzung für Ansprüche aus Annahmeverzug

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Den meisten Arbeitgebern wird das Stichwort „Annahmeverzugslohn“ etwas sagen. Jeder, der schon einmal in einen Kündigungsschutzprozess verwickelt war, wird bereits davon gehört haben. Dass die Problematik jedoch nicht nur im Rahmen von Beendigungsstreitigkeiten eine Rolle spielt, zeigt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.07.2021. In dem betreffenden Fall war ein Arbeitnehmer über mehrere Jahre unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Daran anschließend wurde er auf verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt und war häufig arbeitsunfähig krank. Nachdem der Zeitraum abgelaufen war, für den dem Kläger zuletzt befristet eine Arbeit zugewiesen war, wurde dem Kläger keine neue Tätigkeit mehr zugewiesen. Zunächst wurde ihm weiter Entgelt gezahlt. Schließlich stellte der Arbeitgeber die Entgeltzahlung ein. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Klage und machte geltend, ihm stehe Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu. Nachdem das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers stattgegeben hatte, führte der Gang nach Erfurt zu einer Aufhebung des Urteils und einer Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung.

Nach Ansicht der Erfurter Richter hatte das Landesarbeitsgericht die Einwendungen des beklagten Landes gegen den Annahmeverzugslohnanspruch nicht ausreichend gewürdigt. Es sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger seine Arbeitsleistung nicht mehr jeden Tag erneut anbieten musste, da der Arbeitgeber ihm keine Tätigkeit mehr zugewiesen habe. Nicht ausreichend berücksichtigt worden sei jedoch, dass ein Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug gerät, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken. Von Bedeutung für die Praxis sind hier insbesondere die beiden folgenden Aspekte:

Zunächst trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, wenn er sich mit der Behauptung der Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers gegen einen Annahmeverzugslohnanspruch wehren will. Da jedoch der Arbeitgeber regelmäßig keine näheren Kenntnisse davon hat, in welchem Gesundheitszustand sich der Arbeitnehmer befindet, reicht es regelmäßig aus, wenn er Indizien vorträgt. Dies war im konkreten Fall der Arbeitgeberseite nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts durchaus gelungen. Darüber hinaus sind die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zu der Frage von Bedeutung, worauf sich die Leistungsunfähigkeit bezieht. Der Arbeitnehmer ist demnach – wenig überraschend –, dann leistungsunfähig, wenn er die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht erbringen kann. Für den Arbeitgeber problematisch wird dies aber immer dann, wenn – wie im gegebenen Fall – die Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben und zuletzt keine konkrete Tätigkeit zugewiesen ist (bspw. Angestellter mit kaufmännischen Aufgaben). Dann ist der Arbeitnehmer nämlich erst dann leistungsunfähig, wenn er keinerlei Tätigkeiten ausüben kann, die unter die rahmenmäßige Beschreibung fallen.

Als Merkposten ist also festzuhalten: Liegen im Fall der Geltendmachung von Annahmeverzugslohnansprüchen Indizien dafür vor, dass der Arbeitnehmer gar nicht leistungsfähig war, so sollten Arbeitgeber dies einwenden. Die Hürde liegt hier – nach den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts – nicht allzu hoch. Allerdings lohnt es sich rechtzeitig darauf zu schauen, ob dem Arbeitnehmer zuletzt überhaupt eine konkrete Arbeitsleistung zugewiesen wurde, auf die sich die behauptete Leistungsunfähigkeit bezieht.

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