LAG Düsseldorf: Untersagung einer Betriebsänderung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes

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Nach dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (Beschluss vom 06.01.2021 – 4 TaBVGa 6/20) kann ein im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend gemachter Anspruch des Betriebsrats auf Untersagung einer Betriebsänderung zur Sicherung der Beteiligungsrechte aus §§ 111,112 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) grundsätzlich zugesprochen werden.

Wird der Betriebsrat allerdings erst zu einem Zeitpunkt gewählt, zu dem die Planung über die Betriebsänderung bereits abgeschlossen ist und mit der Durchführung des Plans begonnen wurde, steht diesem kein Beteiligungsrecht nach §§ 111, 113 BetrVG und somit auch kein Unterlassungsanspruch zu.

1. Sachverhalt

In dem vom LAG Düsseldorf entschiedenen Fall betrieben zwei Arbeitgeberinnen verschiedene medizinische Einrichtungen in Gestalt eines Gemeinschaftsbetriebes.

Im Rahmen der Planungen einer Umstrukturierung hatte die Geschäftsleitung bereits mit E-Mail vom 27.07.2020 ein Organigramm über die künftige Struktur des Gemeinschaftsbetriebes betriebsintern veröffentlicht. Ausweislich dieses Organigramms sollten mehrere Arbeitsbereiche des Betriebs ausgegliedert werden.

Der erst am 31.08.2020 für den Gemeinschaftsbetrieb gewählte Betriebsrat, welcher sich am 09.09.2020 in seiner ersten Sitzung konstituierte, begehrte zur Sicherung seiner Beteiligungsrechte aus §§ 111 ff. BetrVG von den beiden Arbeitgeberinnen im Wege der einstweiligen Verfügung, die Entlassung von Arbeitnehmern wegen der beabsichtigten Teilstilllegung einstweilen zu unterlassen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde in erster Instanz abgewiesen, hiergegen legte der Betriebsrat Beschwerde zum Landesarbeitsgericht ein.

2. Entscheidung

Das LAG Düsseldorf wies die Beschwerde des Betriebsrats ab. Das Gericht betonte jedoch, dass eine Unterlassungsverfügung zur Sicherung eines Beteiligungsrechts des Betriebsrats aus §§ 111, 112 BetrVG grundsätzlich in Betracht komme. Das materiell-rechtliche Beteiligungsrecht des Betriebsrats sei jedenfalls aufgrund gebotener richtlinienkonformer Auslegung der EU-Richtlinie 2002/14/EG im Wege einer Unterlassungsverfügung gerichtlich durchsetzbar und unterliege nicht der Disposition des Arbeitgebers. Gleichwohl war im konkreten Fall eine Unterlassungsverfügung abzulehnen, da mit den im einstweiligen Rechtsschutz zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mit Gewissheit festgestellt werden konnte, ob dem Betriebsrat ein Beteiligungsanspruch nach § 111 BetrVG zusteht. Ist aber das Bestehen eines Beteiligungsrechts ungewiss, erfordere der Erlass einer einstweiligen Verfügung über die bloße Gefahr des Untergangs des Beteiligungsrechts hinaus einen Verfügungsgrund von besonderem Gewicht.

Das LAG Düsseldorf bekräftigte daneben, dass ein Beteiligungsrecht und somit auch ein Unterlassungsanspruch nicht in Betracht komme, wenn der Betriebsrat erst zu einem Zeitpunkt gegründet wird, zu dem die Planung über die Betriebsänderung bereits abgeschlossen und schon mit der Durchführung des Planes begonnen wurde. Das gelte selbst dann, wenn dem Arbeitgeber im Zeitpunkt seines Entschlusses bekannt war, dass im Betrieb ein Betriebsrat gewählt werden soll.

3. Praxishinweis

Mit der Entscheidung des LAG Düsseldorf positioniert sich erneut ein Landesarbeitsgericht zu der umstrittenen Frage, ob der Betriebsrat dem Arbeitgeber durch einstweilige Verfügung bis zum Abschluss des Beteiligungsverfahrens untersagen kann, eine Betriebsänderung durchzuführen.

Noch im Dezember 2020 entschied das LAG Berlin-Brandenburg [LAG Berlin-Brandenburg: Keine Betriebsänderung bei Schaffung eines rein „virtuellen Gemeinschaftsbetriebs“ – ZIRNGIBL Blog (zirngibl.de)], dass ein Unterlassungsanspruch, welcher der Untersagung einer Betriebsänderung als solcher diene, nicht in Betracht kommt.

Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht bislang aus. Dies rührt vor allem daher, dass der Unterlassungsanspruch vorwiegend im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht wird, in welchem Rechtsmittel zum Bundesarbeitsgericht in der Regel nicht statthaft sind. Arbeitgeber bleiben mithin vorerst darauf verwiesen, sich an den Entscheidungen der zuständigen Landesarbeitsgerichte zu orientieren.

Im Folgenden finden Sie zu Ihrer Orientierung eine Übersicht, welche Landesarbeitsgerichte bzw. Kammern sich derzeit für oder gegen einen derartigen Unterlassungsanspruch aussprechen.

Unterlassungsanspruch bejahend:Unterlassungsanspruch verneinend:
LAG Düsseldorf (2021 4. Kammer)LAG Berlin-Brandenburg (2020 26. Kammer; 2014 7. Kammer)
LAG Hamm (2015, 2007, 2003, 1983)LAG Rheinland-Pfalz (2017, 2014)
LAG Berlin-Brandenburg (2013, 17. Kammer)LAG Baden-Württemberg (2009, 1985)
LAG Schleswig-Holstein (2010, 2007)LAG Köln (2009)
LAG Hessen (2010, 1984, 1982)LAG Nürnberg (2009)
LAG München (2008 6. Kammer)LAG München (2003 5. Kammer; 2005 5. Kammer)
LAG Niedersachsen (2007)LAG Düsseldorf (2005 12. Kammer)
LAG Thüringen (2000) 
LAG Hamburg (1997, 1981) 

Dr. Lorenz Mitterer                                         Julia Ranzinger

Rechtsanwalt                                                  Rechtsanwältin

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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