LAG Baden-Württemberg: Illegale Arbeitnehmerüberlassung von ausländischen Leiharbeitnehmern

Hand turns dice and changes the German word “Leiharbeit” (contract work) to “Zeitarbeit” (temporary work).

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat in einem aktuellen Urteil (Az.: 12 Sa 15/20) entschieden, dass auch zwischen einem ausländischen Leiharbeitnehmer und einem deutschen Entleiher ein Arbeitsverhältnis zustande kommt, wenn der ausländische Verleiher über keine deutsche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt. Die betreffenden Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) finden auch bei Arbeitnehmerüberlassung mit Auslandsbezug Anwendung.

1. Sachverhalt

In dem vom LAG zu entscheidenden Fall machte eine französische Staatsbürgerin gegen ein deutsches Unternehmen auf der Grundlage einer von ihr behaupteten illegalen Arbeitnehmerüberlassung u. a. das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem beklagten deutschen Unternehmen sowie Überstunden- und Differenzvergütung sowie Ausgleich der Wegezeiten geltend.

Die Klägerin schloss im Jahr 2014 mit einem weltweit agierenden französischen Beratungsunternehmen (F) einen Arbeitsvertrag. Hierbei wurde sie als Fachberaterin/Ingenieurin eingestellt. Im Arbeitsvertrag war geregelt, dass französisches Recht Anwendung finden sollte. Noch im selben Jahr schloss F mit dem in Deutschland ansässigen beklagten Unternehmen (D) eine Vereinbarung über die vertriebliche und administrative Unterstützung der D. Auf Basis dieser Vereinbarung entsandte F die Klägerin von Oktober 2014 bis Ende April 2016 für eine Tätigkeit nach Deutschland zur D.

F war in der Zeit von Oktober 2014 bis Mai 2016 nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

2. Entscheidung

Anders als das erstinstanzliche Arbeitsgericht Karlsruhe gab das LAG der Klägerin größtenteils Recht. Insbesondere entschied das Gericht, dass mit dem Arbeitsantritt der Klägerin in Deutschland im Jahr 2014 gem. § 10 Abs.1 AÜG ein fiktives Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Dies deshalb, weil die Klägerin für D als Leiharbeitnehmerin tätig wurde und das verleihende Unternehmen F über keine wirksame Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte. Die Klägerin sei in die Betriebsorganisation von D eingegliedert und dieser illegal als Arbeitnehmerin überlassen worden.

Das LAG begründet seine Entscheidung damit, dass auch F als französischer Verleiher aufgrund des Territorialitätsprinzips der gesetzlichen Erlaubnispflicht in Deutschland unterliege (vgl. auch § 3 IV AÜG). F hätte demnach vor Entsendung der Klägerin nach Deutschland eine behördliche Erlaubnis der Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland bei der Bundesagentur für Arbeit einholen müssen. Dieser Verpflichtung ist F nicht nachgekommen, sodass es sich um eine sog. illegale Arbeitnehmerüberlassung von F an D handle.

Diese hat daher gem. § 9 Abs.1 AÜG zur Folge, dass der Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und F innerhalb des Geltungsbereichs der Norm, demnach im Gebiet der Bundesrepublik, unwirksam ist. Die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags in Frankreich bleibt von der illegalen Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland jedoch unberührt.

Infolge der Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags in Deutschland kommt mit Arbeitsaufnahme nach § 10 Abs.1 AÜG ein faktisches Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und D zustande. Die Rechtsbeziehung der Parteien richtet sich allein nach deutschem Recht, da die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben und die Klägerin gewöhnlich ihre Arbeitsleistung in Deutschland erfüllt hat.

Das LAG führt zu seiner Entscheidung aus, dass eine Privilegierung eines mit einem ausländischen Verleiher zusammenarbeitenden deutschen Entleihers dem Sanktionssystem zur Bekämpfung illegaler Arbeitnehmerüberlassung widerspreche.

Aus diesem fiktiven Arbeitsverhältnis der Parteien resultieren ebenfalls die Ansprüche der Klägerin auf Überstunden- und Differenzvergütung. Lediglich den Anspruch auf Ausgleich ihrer Wegezeiten lehnte das LAG ab.

Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Es begründet dies damit, dass die Rechtsfrage, ob die §§ 9 Abs.1 und 10 Abs.1 AÜG im Falle einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung mit Auslandsbezug zur Anwendung kommen, von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Die zugelassene Revision ist beim BAG bereits anhängig (9 AZR 228/21).

3. Praxishinweis

Die Entscheidung des LAG hat erhebliche Praxisrelevanz. Vor jedem Einsatz von Fremdpersonal im Betrieb ist zwingend das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung zu prüfen. Sollte Fremdpersonal im Wege der Arbeitnehmerüberlassung gestellt werden, muss der Vertragspartner (=Verleiher) über eine gültige Erlaubnis verfügen. Dies gilt auch bei der Arbeitnehmerüberlassung von ausländischen Verleihern.

    Sie haben Fragen oder Anregungen zum Artikel?

    Jetzt Kontakt aufnehmen:





    * Pflichtfeld

    Ähnliche Beiträge