Viele Architekten- und Ingenieurkammern melden:
„Durchbruch für Gebäudetyp-e auf Bundesebene – Justizminister Buschmann legt Entwurf zur Umsetzung im Architekten- und Bauvertragsrecht vor“.
Gleichzeitig wurde vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen der Entwurf für die „Leitlinie und Prozessempfehlung“ für den Gebäudetyp e im Kontext mit den zivil- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften vorgelegt.
Praktisch alles dreht sich dabei um den Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT).
Soweit die konkreten Inhalte des Referentenentwurfes bereits durchdringen, soll offenbar die Vorschrift des § 650a BGB geändert werden. Sie definiert im Gesetz den besonderen Vertragstypus des „Bauvertrages“ (beachte: bei weitem nicht jeder Werkvertrag, der Bauleistungen zum Inhalt hat, ist ein Bauvertrag im gesetzlichen Sinne). Ein neuer Absatz soll hinzukommen, der vor allem eine grundlegende Differenzierung zwischen sicherheitsrelevanten Normen einerseits und Normen, die (nur) Komfort- und Ausstattungsmerkmale für bauliche Leistungen beschreiben, andererseits vornimmt. Gemeint sind dabei die technischen Normen. Für die sicherheitsrechtlichen Normen soll eine Vermutung gelten, dass diese zu den aaRdT gehören. Für die Komfort- und Ausstattungsnormen soll hingegen vermutet werden, dass diese nicht zu den aaRdT gehören.
Damit ginge zivil- und vor allem vertragsrechtlich ein bemerkenswerter Schnitt durch die aaRdT. Die Rechtsprechung ging bisher davon aus, dass die Einhaltung der aaRdT bei einem Vertrag über Bauleistungen grundsätzlich stillschweigend vereinbart werde. Daran wird man, wenn der Entwurf Gesetz würde, nicht mehr undifferenziert festhalten können, jedenfalls nicht für einen „Bauvertrag“. Die Komfort- und Ausstattungs-aaRdT müssten dann ausdrücklich und „handverlesen“ von den Parteien vereinbart werden. Der Auftraggeber könnte sich nicht mehr, wie bisher, mehr oder weniger bequem in das von der Rechtsprechung aufgespannte Netz der „regelmäßigen stillschweigenden Vereinbarung“ fallen lassen. Es wird wesentlich mehr an Vertragsarbeit und –sorgfalt erforderlich werden.
Weiter soll offenbar eine neue Regelung geschaffen werden, wonach im unternehmerischen Bereich (B2B) Abweichungen von den aaRdT auch ohne besondere Aufklärungsarbeit vereinbart werden können.
Der Wortlaut des Referentenentwurfes und der weitere Verlauf der Gesetzgebungsinitiative werden abzuwarten sein. Die geplanten Änderungen des BGB als „Durchbruch“ in diesem Bereich zu bezeichnen, geht jedoch etwas am rechtlichen Bestand vorbei: Das BGB selbst kennt den Begriff der aaRdT bis heute nicht, gibt damit deren Geltung auch nicht vor. Es besteht weitgehend Vertragsfreiheit. Die Möglichkeiten, nicht gesetzeswidrige Abweichungen von den aaRdT zu vereinbaren, gab es schon immer. Primär gilt das Vereinbarte (subjektiver Mangelbegriff). Diesem im heutigen BGB ausdrücklich normierten Grundsatz wurde und wird vor Gericht und auch in außergerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien aber nicht immer die gebührende Bedeutung beigemessen. In diesem Punkt kann eine Gesetzesänderung dann tatsächlich wirken.
Änderungen zu Verträgen mit Verbrauchern sind, soweit bisher bekannt, nicht vorgesehen.
Folgende Punkte sind bei den geplanten Änderungen besonders zu bedenken:
- Grundsätzlich müsste die gesamte Vertragskette bedacht werden, auch bis hin zum Verbraucher. Ein Bruch in der Kette der Leistungsversprechen, z.B. ausführendes Unternehmen – Generalunternehmer (=B2B) und Generalunternehmer – Verbraucher (=B2C), wirft Probleme auf.
- Die Verortung der Änderungen beim Bauvertrag im Sinne des § 650a BGB lässt alle Werkverträge mit Bauleistungen außer Acht, die nicht unter die Definition des Bauvertrages fallen (z.B. rein verschönernde Malerarbeiten an einem Gebäude).
- Die Abgrenzung dazu, was eine (rein) sicherheitsrechtliche Norm und was eine Komfort- und Ausstattungsnorm ist, dürfte in der Anwendung nicht unproblematisch sein. Begrüßenswert wäre es, wenn dies eindeutig und vorhersehbar definiert wäre und nicht nur der Einschätzung von Sachverständigen überlassen wird.
- Noch viel mehr als bisher werden sich die Parteien über das letztlich Gewollte austauschen, sich aufklären und um eine präzise Leistungsbeschreibung und Vertragsgestaltung (ggf. auch negative Beschaffenheitsvereinbarungen) kümmern müssen. Der Gebäudetyp e ist eine Chiffre, letztlich für mehr Planungsfreiheit, und nicht etwa eine typisierte, reduzierte oder „einfache“ Leistungsbeschreibung, die man aus der Schublade zieht und dann bauen lässt. Der Begriff „Gebäudetyp“ darf dort nicht fehlleiten. Die Beschreibung der Leistung im Vertrag müssen die Parteien selbst bewerkstelligen.
- Die Sorgfalt bei der Aufklärung (Umfang, Tiefe, Verständlichkeit, Beweisbarkeit) wird gerade gegenüber Verbrauchern eine noch größere Rolle spielen. Im Grundsatz gilt: Es muss so intensiv und so lange aufgeklärt werden, bis der Vertragspartner eine mündige Entscheidung darüber treffen kann, ob er eine Abweichung von den aaRdT möchte (und die Folgen in Kauf nimmt) oder eben doch nicht.
Natürlich halten wir Sie über die aktuellen Entwicklungen weiter informiert und unterstützen Sie gerne beim „e“, dem einfachen und experimentellen Bauen, ob mit oder ohne Gesetzesänderung.