Eine Direktvergabe wegen eines Alleinstellungsmerkmals setzt europaweite Marktanalyse voraus!

Law Settlement And Legal Arbitration In Courtroom. Judge Gavel

Die VK Südbayern hat mit ihrem Beschluss vom 05.06.2023 (3194.Z3-3_01-22-54) klargestellt, dass sich ein Auftraggeber nur dann auf ein Alleinstellungsmerkmal eines Unternehmens berufen kann, wenn er zuvor eine europaweite Marktanalyse durchgeführt hat. Diese ist mithin eine Voraussetzung um überhaupt ein Alleinstellungsmerkmal annehmen zu können.

Zwar ist nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV eine Direktvergabe möglich, wenn der Auftrag von nur einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann. Allerdings ist der Auftraggeber für das Vorliegen dieser Voraussetzung in der Beweislast. Im vorliegenden Fall benötigte der Auftraggeber ein 3D-Laserlithografiesystem für wissenschaftliche Versuche. Er formulierte die erforderlichen Leistungsmerkmale anhand der Angaben, die der spätere Auftragnehmer auf seiner Internetseite zu seinem System eingestellt hatte.

Wenn sich, wie hier, der Auftraggeber allein auf den Internetauftritt nur eines Unternehmens verlässt und ausgehend davon annimmt, dass kein anderes Unternehmen und den Auftrag mit den bestimmten Leistungsmerkmalen erbringen kann, ist dies schlicht unzureichend!

Hier führt auch eine nachträgliche Bekanntmachung im Amtsblatt nicht zu einer Wirksamkeit des Auftrags. Der Auftraggeber hat es vorliegend gänzlich unterlassen eine Markterkundung vorzunehmen und sich somit überhaupt einen Überblick über mögliche Alternativprodukte zu verschaffen. Da es sich bei § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV um eine Ausnahmevorschrift handelt, die den Wettbewerb einschränkt, ist der Auftraggeber in diesem Fall verpflichtet, ernsthafte Nachforschungen auf europäischer Ebene durchzuführen um nachweisen zu können, dass keine tauglichen Alternativprodukte zur Verfügung stehen. Zwar kann dies grundsätzlich durch eine Internetrecherche erfolgen. Allerdings ist dafür erforderlich, dass diese auch ernsthaft durchgeführt wird und zudem in dem Segment auch alle Informationen im Internet frei zugänglich sind. Wenn dies nicht möglich ist, sind durch den Auftraggeber entsprechende Angebote einzuholen. Da dies im vorliegenden Fall gerade nicht erfolgt ist, ist der so erteilte Auftrag von Anfang an unwirksam.

Die Entscheidung bestätigt erneut den Ausnahmecharakter der Direktvergabe. Das Vergabeverfahren soll einen europaweiten Wettbewerb schaffen, bei dem alle in Betracht kommenden Unternehmen die gleichen Möglichkeiten eingeräumt bekommen, um Ihr Produktportfolio zu präsentieren. Dies ist Kern des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

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