Der Porsche 356 gilt nicht nur unter Oldtimer-Fans als zeitloser Klassiker. Der erste Serienwagen des Stuttgarter Autobauers zeichnete sich bereits in den 1950er Jahren durch sein markantes Design aus, das sich bis heute in den Nachfolgemodellen wiederfindet. Doch wie viel Porsche 356 steckt in seinem legendären Nachfolger, dem 911er? Mit dieser Frage musste sich nun der Bundesgerichtshof in seinem am 07.04.2022 verkündeten (noch nicht veröffentlichten) Urteil (BGH, I ZR 222/20 – Porsche 911) beschäftigen.
Sachverhalt des Rechtsstreits
Anlass der Entscheidung ist ein Urheberrechtsstreit zwischen der Tochter und Erbin des ehemaligen Chef-Konstrukteurs Erwin Komenda, der von 1931 bis 1966 als Leiter der Abteilung „Karosserie-Konstruktion“ unter anderem an der Entwicklung des Porsche 356 und dem Folgemodell Porsche 911 beteiligt war, und der Porsche AG. Der Umfang der Beteiligung des Konstrukteurs an der Gestaltung der Modelle ist zwischen den Parteien streitig. Komenda‘s Tochter ist der Auffassung, als Rechtsnachfolgerin des Urhebers stehe ihr ein Anspruch auf angemessene Beteiligung an den Erlösen der seit 2011 produzierten Baureihe 991 des Porsche 911 zu. Die wesentlichen Gestaltungsmerkmale der Modelle 356 und 911 seien in den Fahrzeugen der Baureihe 991 übernommen worden. Mit dem Ursprungsdesign habe ihr Vater daher den Grundstein der „Porsche-DNA” gelegt.
Der Anspruch, auf den sich die Klägerin stützt, ist in § 32a UrhG geregelt. Es handelt sich um den sog. „Fairnessausgleich“ des Urheberrechts. Danach hat der Urheber einen Anspruch auf Vertragsanpassung, sofern die Gegenleistung, die er für die Einräumung des Nutzungsrechts an seinem Werk erhalten hat, im Vergleich zu den Erträgen aus der Nutzung des Werkes außer Verhältnis steht. Der Urheber soll am wirtschaftlichen Erfolg seines Werkes auch später angemessen beteiligt werden.
Der Verfahrensgang
Die Klage auf angemessene Beteiligung war zunächst vor dem Landgericht Stuttgart und sodann in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart erfolglos. Zwar sei die Gestaltung des Porsche 356 in seiner Urform urheberrechtlich geschützt und der Vater der Klägerin als Schöpfer und damit Urheber dieses Werkes anzusehen. Das Design des Porsche 356 habe aber lediglich als Anregung für die weitere Gestaltung des gegenständlichen Nachfolgemodells gedient, da der für die Werkeigenschaft des Porsche 356 maßgebliche Gesamteindruck bei der Gestaltung des Porsche 911 Baureihe 991 stark verblasst sei. Zwar stellte das OLG Stuttgart einige Übereinstimmungen der beiden Modelle wie beispielsweise die runden, leicht schräggestellten Scheinwerfer, die in höhergezogene Kotflügel integriert sind und die harmonische Linienführung mit einer Kombination aus flachen und geschwungenen Elementen fest. Wesentlich dominanter aber seien – so das OLG Stuttgart – die zahlreichen Abweichungen, u.a. die unterschiedliche Gestaltung der vorderen Kotflügel, die Stellung der Scheinwerfer sowie die großen Lufteinlässe in der vorderen Schürze des Porsche 911 Baureihe 991. Der Porsche 911 gelte also als Neuschöpfung. Bei der Gestaltung der Baureihe 991 des Porsche 911 handele es sich damit um keine urheberrechtswidrige, sondern um eine sog. freie und damit erlaubte Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG a.F. Eine solche Nutzung begründe keinen Anspruch auf Nachvergütung.
Das Urteil des BGH
In seinem Urteil vom 07.04.2022 bestätigte der BGH die Entscheidung des OLG Stuttgarts. Das OLG habe einen Anspruch nach § 32a Abs. 1 UrhG zu Recht abgelehnt. Bei einem Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der beiden Fahrzeugmodelle seien die den Urheberrechtsschutz des Porsche 356 begründenden Elemente in der Gestaltung des Porsche 911 (Baureihe 991) nicht mehr wiederzuerkennen. Die Porsche AG habe daher mit der Herstellung und dem Vertrieb des Porsche 911 nicht in die ausschließlichen Verwertungsrechte des Urhebers eingegriffen. Ob es sich somit um eine freie Benutzung handele, könne dahinstehen.
Ungeklärt blieb jedoch die Urheberschaft des Konstrukteurs hinsichtlich des ersten Porsche 911 aus dem Jahr 1961. Das OLG Stuttgart hat Ansprüche der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe die Urheberschaft ihres Vaters bezüglich der Gestaltung dieses Porsche 911 nicht nachweisen können. Die Klägerin hatte jedoch im Berufungsverfahren ihren Ehemann als Zeugen benannt. Diesem gegenüber habe der Vater der Klägerin bei einem Besuch an dessen Arbeitsplatz zu Verstehen gegeben, dass es sich bei der Karosserie des Porsche 911 um „sein Auto, seinen Entwurf“ handele. Da sich hieraus zumindest ein gewisses Indiz für die Urheberschaft ergebe, hätte das OLG Stuttgart den Zeugen vernehmen müssen, so der BGH. Infolge dieses Verfahrensfehlers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Stuttgart zurück.
Ob sich die Urheberschaft des Vaters der Klägerin an der Gestaltung des Ursprungsmodells des Porsche 911 nachweisen lässt, darf bezweifelt werden. Die Erfolgschancen der Erbin, im Rahmen der Neuverhandlung doch noch einen Anspruch auf angemessene Beteiligung am weltweiten Erfolg des Porsche 911 zu erhalten, sind wohl trotz des Teilerfolgs vor dem BGH nur sehr gering.