Der Koalitionsvertrag der Ampel – eine erste Analyse

Potsdamer Platz in Berlin

Zusammenfassung

  1. Die staatliche Regulatorik wird deutlich ausgeweitet.
  2. Mieterhöhungen werden weiter erschwert und es entstehen neue, nicht umlegbare Nebenkosten.
  3. Das Investment für CO2 Einsparungen im Bestand kann nicht mehr auf die Miete umgelegt werden und bleibt daher ohne Rendite.
  4. Der Bauträgermarkt wird möglicherweise in einigen Bundesländern fiskalisch und durch gezielte Förderungen von Schwellenhaushalten gestärkt.
  5. Alter Wohnungsbestand wird wirtschaftlich vermehrt unter Druck geraten.

Wir betrachten nachstehend nur die Regelungen des Koalitionsvertrages mit immobilienrechtlichem Bezug:

1. Mieterfreundliche Regelungen
  • Die Einführung einer Teilwarmmiete wird geprüft. Dabei trägt der Vermieter die Kosten der Grundlast der Wärmeversorgung. Investitionen in Energieeinsparungen sollen ihm so zu Gute kommen.

Unsere Einschätzung: Hier kommen auf Hausbesitzer neue, nicht umlegbare Nebenkosten zu.

  • Für die Verteilung der CO2-Kosten zwischen den Mietvertragsparteien wird ein Gebäudeenergieklassensystem eingeführt, das die Umlage des CO2-Preises regelt – gelingt dies nicht rechtzeitig, werden die CO2-Kosten zwischen den Mietparteien hälftig geteilt.

Unsere Einschätzung: Hier kommen auf die Hausbesitzer erhebliche nicht umlegbare Nebenkosten zu. Sofern das Gebäudeenergieklassensystem eingeführt werden sollte, könnten die CO2-Kosten (nicht die Investitionskosten) in ggf. höherem Maße umlegbar sein.

  • Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen soll in angespannten Wohnungsmärkten auf 11 % in drei Jahren gesenkt werden.

Unsere Empfehlung: Prüfen Sie jetzt die Möglichkeit einer Mieterhöhung. Die Politik übersieht erneut, dass durch derartige Regelungen gerade zurückhaltende Vermieter benachteiligt werden.

  • Die Mietpreisbremse wird bis zum Jahr 2029 verlängert. Außerdem wird die Einführung eines qualifizierten Mietspiegels für Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern verpflichtend. Dabei soll der qualifizierte Mietspiegel zur Berechnung nunmehr auf die Mietverträge der letzten sieben Jahre zurückgreifen.

Unsere Empfehlung: In Orten mit angespanntem Wohnungsmarkt sollte die Miete im Rahmen des marktmöglichen Maßes erhöht werden, da sonst Wertverluste der Objekte zu befürchten sind.

  • Die Modernisierungsumlage soll in dem System der Teilwarmmiete (s.o.) aufgehen.

Unsere Einschätzung: Die Möglichkeit Investitionskosten als Modernisierungsumlage auf die Miete umzulegen, soll abgeschafft werden. Damit wird das Investment z.B. in Energiesparsamkeit, das wirtschaftlich vom Hausbesitzer getragen wird, nicht durch erhöhte Miete verzinst. Der Staat wird aber die Fördermöglichkeiten ausweiten. Die gleichzeitige Einführung von Teilwarmmiete und Abschaffung der Modernisierungsumlage führt zum Ausfall der erstrebten Effekte der Teilwarmmiete und zu einer neuen, doppelten Belastung des Vermieters.

Gerade alter „billiger“ Wohnungsbestand könnte durch den Kanon der Maßnahmen wirtschaftlich weniger tragfähig werden: Älterer unsanierter Wohnraum löst besonders hohe CO2-Kosten aus, die in hohem Maße von dem Vermieter zu tragen sind. Investitionen können nicht auf die Miete umgelegt werden und bleiben so ohne Rendite. In angespannten Wohnungsmärkten wird durch die staatliche Mietpreisregulierung sogar die Aussicht auf künftige Rendite vermindert.

2. Fiskalische Maßnahmen
  • Die lineare AfA für Wohnungsneubauten soll von 2 % auf 3 % p.a. angehoben werden, wobei die unterschiedlichen Auswirkungen auf verschiedene Bauherren geprüft werden.
  • Bei Maßnahmen des Klimaschutzes und der Anschaffung digitaler Wirtschaftsgüter in den Jahren 2022 und 2023 wird ein Anteil der Kosten der im jeweiligen Jahr angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens abzugsfähig.
  • Eine Öffnungsklausel im Rahmen des Grunderwerbsteuerrechts soll es den Ländern ermöglichen, flexiblere Regelungen zu treffen.

Unsere Einschätzung: Hier könnten Länder, die ausreichende fiskalische Spielräume haben, z.B. allgemeine oder speziell für den „Normalverbraucher“ geschaffene Freibeträge einführen. Dies würde den Erwerb von Immobilien verbilligen.

  • Erneut wird die steuerliche Einengung des grunderwerbsteuerfreien Erwerbs im Rahmen von Share Deals auf die Agenda gesetzt. Dies soll der Gegenfinanzierung von Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer dienen.

Unsere Einschätzung: Die Regierungsparteien hatten bei der Share Deal Thematik im Rahmen der letzten Reform unterschiedliche Lösungsansätze und konnten sich im Koalitionsvertrag noch nicht auf ein konkretes Vorgehen einigen. Von der Wahl des Lösungsansatzes hängt ab, ob noch größeres fiskalisches Potential besteht.

  • Die Einführung eines Versteuerungsnachweises für ausländische Immobilienkäufer wird vorgesehen.

Unsere Einschätzung: Die Bekämpfung von Geldwäsche, für die der Versteuerungsnachweis dienen soll, ist vollumfänglich zu begrüßen. Ob dies durch den Versteuerungsnachweis wirksam gelingen wird, wird maßgeblich von der Ausgestaltung abhängen.

Die Novellierung des Steuer-, Abgaben- und Umlagesystems zur Förderung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten wird vereinfacht und gestärkt.

Unsere Einschätzung: Hier besteht tatsächlich Handlungsbedarf. Die Eintrittsschwellen zur Einführung sinnvoller Systeme sind groß, es bestehen bisher regulatorische Hürden und zivilrechtliche Schranken; dies ist ein sinnvolles Reformziel.

3. Maßnahmen die spezifisch den Bauträgermarkt betreffen
  • Der Kauf von eigenen Immobilien soll durch eigenkapitalersetzende (staatliche) Darlehen gefördert werden.
  • Schwellenhaushalte sollen Tilgungs- und Zinszuschüsse erhalten.
4. Öffentliches Baurecht
  • Die Überarbeitung der TA-Lärm soll erfolgen, um städtische Zielkonflikte aufzulösen. Weiter ist vorgesehen, die örtliche Lärmsituation im Rahmen einer Gesamtlärmbetrachtung zu Grunde zu legen.

Unsere Einschätzung: Es steht zu vermuten, dass die Anforderungen an den Lärmschutz einerseits abgesenkt werden, um Zielkonflikte einer heranrückenden Bebauung aufzulösen, andererseits wird jedoch die Ermittlungsmethodik angepasst.

  • Die Minderung des Flächenverbrauchs soll mit konkreten Maßnahmen erreicht werden. Die Regelung des § 13b BauGB wird hierzu nicht verlängert, mit dem Ziel, den Flächenverbrauch zu mindern (Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte B-Planverfahren gemäß § 13a BauGB).

Unsere Einschätzung: Der Zielkonflikt zwischen Umweltschutz (Flächenverbrauch) und angespanntem Wohnungsmarkt (Flächenbedarf) ist nicht gelöst oder in eine bestimmte Richtung entschieden.

  • Prüfung der Einführung eines „Innenentwicklungsmaßnahmengebiets“ (IEM);

Unsere Einschätzung: Das IEM soll gegenüber „kooperationsunwilligen“ Grundstückseigentümern zur zeitnahen und bedarfsgerechten Bebauung von Grundstücken eine durchsetzungsstarke Handhabe ermöglichen, sofern ein qualifizierter städtebaulicher Handlungsbedarf besteht. Insbesondere werden Bebauungsgebote sowie Umlegungen (Neuverteilung der Grundstücke) mit dem IEM verbunden sein.

5. Förderprogramme für Vermieter und Mieter

Der Koalitionsvertrag sieht u.a. folgende Förderprogramme vor:

  • Für studentisches Wohnen, junges Wohnen, Wohnen für AZuBis;
  • Sanierungsfahrpläne sollen für WEGs und beim Kauf von Immobilien kostenfrei sein – gemeint sind hier wohl die Beratungskosten für die Aufstellung von energetischen Ablaufplänen;
  • Ausweitung des Förderprogramms für serielles Bauen und serielles Sanieren (im Rahmen des BEG (=Bundesförderung für effiziente Gebäude; das Gesetz betrifft die Sanierung oder den Neubau von Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden sowie bestimmte Einzelmaßnahmen));
  • KfW-Programm zum Kauf von Genossenschaftsanteilen;
  • Stärkung des Wohngelds und Einführung einer Klimakomponente;
6. Sonstiges
  • Die HOAI soll reformiert und die Leistungsbilder angepasst werden. Es bleibt ungenannt, welche Inhalte angestrebt werden.
  • Die Umstellung des Grundbuchs auf ein elektronisches Blockchain-System wird geprüft.
  • Die Digitalisierung soll weiter vorangebracht werden, z.B. durch die Einführung der digitalen Bauakte.
  • Eine Reihe von Vorschlägen ist darauf ausgerichtet, Planungsverfahren zu beschleunigen, was in besonderem Maße für Infrastrukturprojekte erwogen wird.

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