Ein gut funktionierendes Compliance-System kann Unternehmen nicht nur vor öffentlicher Kritik, sondern auch vor staatlichen Sanktionen schützen. Doch unternehmensinterne Missstände sind nicht immer leicht zu entdecken. Die eigenen Beschäftigten sind hierbei meist die ersten, die solche Missstände wahrnehmen und durch ihre Hinweise dafür sorgen können, dass Rechtsverstöße aufgedeckt, untersucht, verfolgt und unterbunden werden und so der Schaden möglichst klein gehalten werden kann.
Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und am 27.07.2022 einen Gesetzesentwurf beschlossen, welcher insbesondere einen besseren Schutz hinweisgebender Personen gewähren soll. Mit diesem Gesetz soll zudem die EU-Whistleblower-Richtlinie (EU 2019/1937) in nationales Recht umgesetzt werden. Die von der EU gesetzte Frist ist bereits im Dezember 2021 abgelaufen, sodass die Umsetzung nun schnell vorangetrieben werden soll.
Zentraler Bestandteil des Gesetzesvorschlags ist ein neues Stammgesetz, das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Im Folgenden sollen die mit dem HinSchG zu erwartenden Neuerungen kurz dargestellt und aufgezeigt werden, was Unternehmen heute schon tun können, um bestmöglich auf die Einführung Anfang des Jahres 2023 vorbereitet zu sein.
Was wird alles neu geregelt?
Meldestellen:
Ein wichtiger Bestandteil des neuen HinSchG ist die Einführung von internen Meldestellen. Hierbei ist insbesondere nach der Größe und der Art des Unternehmens zu differenzieren:
Für Unternehmen ab 250 Arbeitnehmern wird keine Übergangsfrist gewährt. Diese müssen das Gesetz ab Inkrafttreten anwenden. Dasselbe gilt für öffentliche Stellen.
Unternehmen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern sind ab dem 17.12.2023 zur Umsetzung verpflichtet. Zudem können diese auch gemeinsame Meldestellen für mehrere Unternehmen einrichten und auf diese Weise Ressourcen sparen. Die Umsetzungsfrist für mittlere Unternehmen gilt jedoch nur dann, wenn diese nicht bereits nach aktuell geltendem Recht zur Einrichtung interner Meldestellen verpflichtet sind.
Besonderheit Konzern:
In Konzernstrukturen soll es möglich sein, dass auch bei einer anderen Konzerngesellschaft eine unabhängige und vertrauliche Meldestelle eingerichtet wird, die für mehrere selbstständige Unternehmen in dem Konzern tätig sein kann. Wichtig ist hierbei, dass die Verantwortung, einen festgestellten Verstoß zu beheben, immer bei dem jeweiligen Unternehmen bleibt, welches konkret betroffen ist.
Externe Meldestellen:
Zudem sollen auch externe Meldestellen auf Bundesebene eingeführt werden:
Standort der Meldestelle: | Aufgabe: |
Bundesamt für Justiz | Zentrale Anlaufstelle |
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie das Bundeskartellamt(BKartA) | Verstöße aus Finanz- bzw. Kartellbereich |
Weitere externe Meldestelle Bund | Für Meldungen betreffend die externen Meldestellen des Bundes selbst |
Bei den jeweiligen Ländern | Möglichkeit der Länder eine eigene landesweite externe Meldestelle zu eröffnen |
Wie soll das Meldeverfahren ablaufen?
1. Meldung
Beschäftigte sollen die Wahlmöglichkeit haben, ob sie Verstöße unternehmensintern oder extern melden (s.o.).
Problem: Anonyme Meldung
Das HinSchG sieht in der jetzigen Fassung zwar auch die Möglichkeit anonymer Meldungen vor, regelt den Umgang mit solchen Meldungen aber lediglich im Wege einer Soll-Vorschrift. Danach „sollen“ die internen Meldestellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten, soweit dadurch die vorrangige Bearbeitung nichtanonymer Meldungen nicht gefährdet wird. Wie diese Art der Hinweisgebung final ausgestaltet wird, bleibt abzuwarten.
2. Informationsgewinnung und Umgang
Nach dem aktuellen Gesetzesentwurf müssen Unternehmen gewährleisten, dass Meldungen an die internen Meldesysteme sowohl in mündlicher Form als auch in Textform möglich sind.
Die eingehenden Meldungen dürfen nur von geschultem und berechtigtem Personal empfangen und dokumentiert werden, wobei insbesondere die Identität der hinweisgebenden Person grundsätzlich nur den jeweils für die Bearbeitung zuständigen Personen bekannt sein darf. Informationen über die Identität einer hinweisgebenden Person oder einer Person, die Gegenstand einer Meldung ist, sollen nur in Ausnahmefällen herausgegeben werden dürfen, etwa in Strafverfahren auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden.
3. Datenschutz
Die empfangenen Daten sind aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht dauerhaft zu speichern. Der Regierungsentwurf sieht vor, dass die Dokumentation zwei Jahre nach Abschluss des Verfahrens gelöscht wird.
Mögliche Folgen bei Verstößen
Verstöße gegen das neue HinSchG sollen als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden. Hierunter fällt insbesondere auch, wenn Unternehmen trotz Verpflichtung über keine interne Meldestelle verfügen.
Weiteres Gesetzgebungsverfahren
Der Bundestag wird sich zunächst mit dem Gesetzesentwurf befassen, bevor der Bundesrat diesem noch zustimmen muss. Eine Verkündung kann demnach Ende des Jahres erwartet werden. Drei Monate nach der Verkündung soll das Gesetz in Kraft treten.
Praxistipp
Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern sollten sich frühzeitig mit der Einführung eines internen Meldesystems befassen, sofern sie bisher noch nicht über ein solches verfügen.
Insbesondere sind mögliche Beteiligungsrechte des Betriebsrats sowohl bei der Neueinführung eines solchen Systems als auch bei der Anpassung bereits bestehender Systeme zu berücksichtigen.
Für kleine bis mittlere Unternehmen kann es sich unter finanziellen und wirtschaftlichen Aspekten anbieten, eine externe Ombudsperson mit der Entgegennahme und ersten Bearbeitung der Hinweise zu beauftragen, anstatt hierfür eigene Beschäftigte zu schulen und mit der Informationsgewinnung zu beauftragen.
Gerne beraten wir Sie individuell, welche Anpassungen für Ihr Unternehmen in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht sinnvoll und erforderlich sind.
Selbstverständlich halten wir Sie zum weiteren Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden.