Urteil des EuGH vom 02.04.2020 in der Rechtssache C-567/18
Der EuGH hat am 02.04.2020 entschieden, dass eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Ware lagert, ohne Kenntnis von einer Markenrechtsverletzung zu haben, die Marke nicht selbst benutzt und damit für die Markenverletzung nicht haftet.
Das Urteil des EuGH betrifft ein Vorabentscheidungsersuchen des BGH. Dieser hatte in einem Rechtsstreit zwischen dem Lizenznehmer einer Unionsmarke, die für Parfümeriewaren, ätherische Öle sowie Mittel zur Körper- und Schönheitspflege eingetragen ist, und dem Betreiber eines Online-Marktplatzes dem EuGH folgende Frage vorgelegt:
„Besitzt eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Ware lagert, ohne von dem Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, diese Ware zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in den Verkehr zu bringen?“
Im Zusammenhang mit dem Vorabentscheidungsersuchen hatte die Klägerin vorgetragen, bei den Tätigkeiten des Betreibers des Online-Marktplatzes handele es sich nicht nur um Tätigkeiten eines reinen Lagerhalters oder Warentransporteurs und die bloße Bereitstellung einer Online-Verkaufsplattform. Der Betreiber bzw. die mit ihm verbundenen Unternehmen böten vielmehr eine Reihe von Dienstleistungen an, die einen Mehrwert für den Vertrieb der (markenrechtsverletzenden) Ware brächten.
Der EuGH ist der differenzierten Betrachtung, die der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vorgenommen hatte, nicht gefolgt. Der EuGH hält sich vielmehr streng an die vom BGH formulierte Vorlagefrage. Der Generalanwalt vertrat in seinen Schlussanträgen die Auffassung, dass der Plattform-Betreiber bzw. die mit ihm verbundenen Unternehmen im Rahmen eines Programms, das die Eigenschaften des sogenannten „Versand durch Amazon“-Programms aufweist und dem der Verkäufer beigetreten ist, aktiv am Vertrieb dieser Ware beteiligt sei. Es könne dementsprechend davon ausgegangen werden, dass der Plattform-Betreiber in diesem Fall die Ware zum Zweck des Anbietens und des Inverkehrbringens lagert und damit selbst markenrechtsverletzend benutzt (Schlussanträge des Generalanwalts Manuel Campos Sánchez-Bordona vom 28.11.2019 in der Rechtssache C-567/18 Rn. 84). Der EuGH ist in seinem Urteil auf diese Position des Generalanwalts nicht eingegangen.
Der EuGH begründet seine Entscheidung damit, dass der Umstand, dass technische Voraussetzungen für die Benutzung eines Zeichens geschaffen werden und diese Dienstleistung vergütet wird, nicht dazu führe, dass der Dienstleister eine Marke selbst in markenrechtsverletzender Weise benutzt. Die „Benutzung“ setze nach Auffassung des EuGH ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung voraus. Diesem Grundsatz folgend hat der EuGH bereits früher entschieden, dass die Benutzung von mit einer Marke identischen oder ihnen ähnlichen Zeichen in Verkaufsangeboten, die auf einem Online-Marktplatz angezeigt werden, eine Benutzung nur durch die als Verkäufer auftretenden Kunden des Betreibers dieses Marktplatzes, nicht aber durch diesen Betreiber selbst sei (vgl.. EuGH Urteil vom 12.07.2011, Rs. C-324/09-L’Oréal u.a.).
Nach dem Urteil in dem Verfahren über das Vorabentscheidungsersuchen muss nun der BGH abschließend über den Fall entscheiden. Gegenstand der Entscheidung des BGH wird auch sein, ob der Lizenznehmer dem Plattform-Betreiber die Lagerung und den Versand von markenrechtsverletzender Ware anderweitig untersagen kann.